Was für ein hartes Stück Arbeit. Beim Heimspiel-Auftakt müht sich Borussia Dortmund zu einem denkbar knappen Sieg über Aufsteiger Eintracht Braunschweig – und kämpft dabei auch gegen einen Stimmungsboykott der eigenen Fans an. Zwei Joker schießen den BVB an die Spitze.
Noch nicht schön, aber schon wieder sehr erfolgreich: Borussia Dortmund gewinnt auch das zweite Spiel der 51. Bundesliga-Saison und ist nach dem 2:1-Heimsieg über Eintracht Braunschweig neuer Tabellenführer. Die Borussia hatte allerdings eine Halbzeit lang allergrößte Mühe gegen den top eingestellten Außenseiter. Erst im kräftezehrenden Schlussspurt sicherten die Joker Jonas Hofmann (75.) und Marco Reus (86. Foulelfmeter) den hart erkämpften Erfolg. Für die engagierten Gäste kam der Anschlusstreffer durch Kevin Kratz (88.) zu spät
Dortmunds Fans waren beim Heimdebüt ihrer Mannschaft ungewohnt zurückhaltend. Vor der Partie hatte die Polizei die Ultra-Szene eingekesselt und gefilzt. Die Hardcore-Fans reagierten mit einem Stimmungsboykott, der sich deutlich auf die Atmosphäre im früheren Westfalenstadion auswirkte. Nach Informationen der Ruhr Nachrichten richtete sich die Polizei-Aktion vor allem gegen die “Desperados”, die im letzten Spiel der vergangenen Saison gegen Hoffenheim verbotene Transparente gezeigt hätten.
Mchitarjan feiert sein Pflichtspieldebüt
Zum Spiel: “Braunschweig hat mit unglaublicher Konsequenz verteidigt, sie sind nicht weich geworden. Das war richtig cool”, zollte BVB-Trainer Jürgen Klopp allerhöchstes Lob für den frechen Kontrahenten. Mit seiner eigenen Mannschaft war er trotz der holprigen Spielweise zufrieden: “Natürlich können wir besser spielen, aber alles ist gut. Ich hatte nach der Länderspielwoche nicht erwartet, dass wir die Sterne vom Himmel spielen”, sagte Klopp, der sich über den 100. Bundesliga-Sieg seiner Karriere freuen durfte.
Gleich im ersten Heimspiel der Saison hatte Klopp mit zwei Neuen in der Startelf überrascht. Der Armenier Henrich Mchitarjan feierte vier Wochen nach seiner Syndesmose-Verletzung das Pflichtspieldebüt für die Borussia, und auch Verteidiger Sokratis durfte entgegen aller Prognosen ran. Dortmunds Rekordtransfer Mchitarjan ersetzte im offensiven Mittelfeld den angeschlagenen Ilkay Gündogan, während der Grieche Sokratis anstelle von Neven Subotic in der Innenverteidigung aushalf. Bei den Gästen brachte Trainer Torsten Lieberknecht Daniel Davari für Marjan Petkovic im Tor und Marcel Correia für den verletzten Deniz Dogan im Abwehrzentrum.
Braunschweigs Mittelfeldkette leistet große Arbeit
Den weitaus besseren Start hatte der Aufsteiger. Angefeuert von gut fünftausend stimmgewaltigen und boykottfreien Fans wäre die Eintracht beinahe schon nach zwei Minuten in Führung gegangen. Doch Kapitän Dennis Kruppke schrammte nur haarscharf an einer perfekten Hereingabe vorbei. Der zum rechten Außenverteidiger umgeschulte Dortmunder Kevin Großkreutz hatte vorher keine gute Figur gemacht. Auch eine halbe Stunde später bei der zweiten Großchance des Außenseiters sah der Ur-Borusse nicht gut aus. Glück für ihn, dass weder Jan Hochscheidt, noch Norman Theuerkauf etwas aus der Situation machen konnten. Es waren diese Szenen, die Eintracht-Trainer Lieberknecht später mit gemischten Gefühlen zurückließen: “Wir haben gezeigt, welch unangenehmer Gegner wir sein können. Es tut weh, hier keinen Punkt mitzunehmen.”
Favorit Dortmund hatte allergrößte Mühe, sein Kurzpassspiel aufzuziehen. Immer wieder versuchten es Mchitarjan und Co. durch die Mitte. Aber die war mit einer Braunschweiger Dreierkette noch vor der Vierer-Abwehr bestens abgeriegelt. Dortmunds neuer Hoffnungsträger mühte sich redlich. Ihm fehlte aber in einigen Szenen noch das Spielverständnis mit den Kollegen, und mit zunehmender Spieldauer auch die Spritzigkeit. Über die Außen kam beim BVB einfach zu wenig. Weder Pierre-Emerick Aubameyang auf links, noch Jakub Blaszczykowski auf rechts konnten sich entscheidend durchsetzen. Beide waren jeweils einmal aussichtsreich vorm Tor aufgetaucht. Doch Aubameyang (14.) und Kuba (17.) kamen nicht an Keeper Davari vorbei.
Braunschweigs Torhüter erwischte einen Sahnetag in Dortmund und konnte viele Punkte sammeln. Nach dem Willen seines Trainers soll er in dieser Saison mit Konkurrent Petkovic einen offenen Kampf um die Nummer eins austragen. “Das haben sich die beiden nach dem Aufstieg verdient”, so Eintracht-Coach Lieberknecht, der ob dieses unkonventionellen Weges Ärger von den Fußballgurus der Republik fürchtet: “Jetzt wird mir Oliver Kahn sicher auf den Dez hauen.” Sahins sehenswerter Freistoß aus 25 Metern brachte noch die größte Gefahr fürs Braunschweiger Tor, der Ball ging nur denkbar knapp drüber (37.).
Hofmann: “Das ist das Geilste”
Erst nach der Pause schaltete Dortmund einen Gang höher und kam zu Chancen fast im Minutentakt. Bender und Sahin scheiterten mit Distanzschüssen (51., 52.). Aubameyang hatte die große Möglichkeit, schon im zweiten Saisonspiel sein Trefferkonto auf vier aufzustocken. Doch im Gegensatz zum torreichen Spiel in Augsburg vor einer Woche scheiterte der Gabuner nach der perfekten Vorarbeit von Großkreutz erneut an Keeper Davari (59.). Das gleiche Schicksal teilten Robert Lewandowski und Mchitarjan, die bei einer Doppelgroßchance einfach nicht am starken Gäste-Torhüter vorbeikamen. Für die BVB-Fans war es zum Haare raufen, was nun vor der Südtribüne passierte. Klopp hatte zuvor in Marco Reus und Jonas Hofmann noch zwei unverbrauchte Offensivkräfte gebracht. “Es ist doch toll, gegen Ende noch diese Frische einwechseln zu können”, schwärmte der Trainer später.
Dieses zusätzliche Element zahlte sich letztlich aus. Während die Gäste so gut wie gar nicht mehr aus der eigenen Hälfte rauskamen, machte der BVB einen Wahnsinnsdruck. Youngster Hofmann gelang schließlich aus spitzem Winkel das erlösende 1:0, nachdem es Abwehrchef Mats Hummels nicht mehr hinten gehalten hatte und der Nationalspieler mit einem Traumpass zur jetzt hoch verdienten Führung auflegte (75.). “Das erste Bundesligator direkt vor der Südtribüne zu erzielen, ist natürlich das Geilste, was passieren kann”, sagte der Matchwinner später in der Mixed Zone überglücklich. Schon in der Vorbereitung hatte Hofmann mit tollen Toren und großem Spielverständnis auf sich aufmerksam gemacht.
Zum 138. Mal an der Tabellenspitze
Vier Minuten vor dem Ende zeigte Hofmann erneut seine Klasse, als er drei Braunschweiger ins Dribbling zog und Ermin Bicakcik zu einem Foul zwang. Den fälligen Elfmeter verwandelte Reus abgezockt zum 2:0. Kurz vor dem Schlusspfiff kassierte die Borussia nach einer Ecke zwar noch den ersten Gegentreffer der jungen Saison durch einen Kopfball des Braunschweigers Kevin Kratz (88.). BVB-Stürmer Robert Lewandowski war sogar noch als letzter Spieler am Ball, möglicherweise war es also sogar ein Eigentor.
Dank des Hertha-Patzers in Nürnberg reichte das aber für den Sprung an die Tabellenspitze. Zum 138. Mal in der Bundesligageschichte thront der BVB nun auf dem Platz an der Sonne – was Lieberknecht, den sympathischen Trainer des ebenso sympathischen Liga-Rückkehrers Braunschweig zur Replik hinriss: “Und wir stehen zum zweiten Mal in 28 Jahren nicht auf einem Abstiegsrang.”
Das Spiel im Überblick:
Borussia Dortmund: Weidenfeller – Schmelzer, Hummels, Sokratis, Großkreutz – Bender, Sahin – Aubameyang (67. Reus), Mchitarjan (91. Ducksch), Blaszczykowski (60. Hofmann) – Lewandowski
Eintracht Braunschweig: Davari – Reichel, Correia, Bicakcic, Elabdellaoui – Caligiuri (65. Boland), Theuerkauf, Kratz – Kruppke (77. Ademi), Hochscheidt (65. Perthel) – Jackson
Tore:
1:0 Hofmann (75.)
2:0 Reus (86.)
2:1 Kratz (88.)