Der scheidende Trainer des FC Bayern nutzt den größten Triumph, um alte Rechnungen zu begleichen – und plaudert ganz nebenbei noch ein Transfergeheimnis aus.
Lange sah es im Bauch des Londoner Wembley-Stadions nach einer typischen Pressekonferenz von Jupp Heynckes aus. Der Trainer hatte zwar gerade die große Sehnsucht des FC Bayern erfüllt und nach einer Durststrecke von zwölf Jahren und zwei verlorenen Endspielen zum fünften Mal die Champions League nach München geholt. Trotzdem gab er sich wie meist eher unverbindlich und staatsmännisch, lobte Matchwinner Arjen Robben genauso emphatisch wie den mit 1:2 unterlegenen Finalgegner Borussia Dortmund. Doch dann legte der 68-Jährige unvermittelt los, und vieles, was in den letzten Monaten unter der glänzenden Oberfläche der scheinbar heilen Bayern-Welt durch Siege am Fließband verdeckt blieb, brach nun offen heraus.
Erst revanchierte sich der frühere Weltklasse-Stürmer in deutlichen Worten dafür, von seinem Herzensklub abserviert worden zu sein. Dann bürdete er seinem künftigen Nachfolger den größtmöglichen Rucksack auf. Und zum Schluss – Bayerns Pressechef Markus Hörwick rutschte mittlerweile unruhig auf seinem Stuhl hin und her als hätte ihm Witzbold Franck Ribery Juckpulver in den Unterhose gesteckt – verkündete er nebenbei noch ein kleines Transfergeheimnis des deutschen Branchenführers.
“Lewandowski lässt nicht mehr lange auf sich warten”
Aber der Reihe nach: “Es gibt ja sehr viel Verwirrung in dieser Sache in den deutschen Medien. Deswegen möchte ich das jetzt mal richtigstellen”, holte Heynckes Luft und ließ dann alles raus. “Ich habe mich schon 2012 nach dem verlorenen Endspiel gegen Chelsea dazu entschlossen, nach dieser Saison beim FC Bayern aufzuhören.” Paff. Es war dem Trainer-Routinier eine Genugtuung, sich öffentlich dafür zu revanchieren, dass sein Klub ihm im Winter plötzlich den Spanier Pep Guardiola vor die Nase gesetzt hatte und damit – ohne vorher zu fragen – für das Ende seiner Bayern-Karriere gesorgt hatte. Verletzte Eitelkeit – auch im Fußballgeschäft hält sich die Erinnerung daran sehr lange.
Doch damit nicht genug. Auf die Frage eines internationalen Journalisten, ob der Rekordmeister nun unter Guardiola eine neue Ära auch außerhalb der deutschen Liga einläuten könne, antwortete mit einer verbalen Linksrechts-Kombination, mit der er bei den Verantwortlichen des FC Bayern sicher Wirkungstreffer erzielen wird. “Ich übergebe meinem Nachfolger eine perfekte Mannschaft. Jetzt kommt noch Mario Götze dazu und auch Robert Lewandowski wird sicher nicht mehr lange auf sich warten lassen. Gut möglich also, dass der FC Bayern in Europa eine neue Ära begründen wird.” Paff, das saß.
Unglaubliche Saison kaum mehr zu toppen
Mit dem ersten Teil bürdete Heynckes dem neuen Coach Guardiola den schwerstmöglichen Rucksack auf. Die unglaubliche Meister- und Champions-League-Saison 2012/2013 – “einmalig in der fünfzigjährigen Geschichte der Bundesliga“, so Heynckes -, ist ja so schon kaum noch zu toppen. Auch nicht vom Kulttrainer aus Katalonien, obwohl der vor gar nicht so langer Zeit mit den Tiki-Taka-Künstlern des FC Barcelona eine noch viel größere Titelsammlung begründet hatte. Vermutlich sollte Guardiola in München nun besser das Triple plus Weltpokal holen sowie mit der maximalen Ausbeute von 102 Punkten durch die Liga jagen, um den enormen Ansprüchen einigermaßen gerecht zu werden.
Mit dem zweiten Teil legte der aktuelle Bayern-Coach ganz nebenbei die Transferpolitik seines Klubs offen. Dass Lewandowski nach München wechseln will ist zwar ein offenes Geheimnis. Aber zuletzt hatten der Rekordmeister wieder sehr gemauert, sogar einen Vorvertrag mit Dortmunds Topstürmer per Pressemitteilung dementiert. Die Bayern hatten sich nicht mehr auf das Pokerspiel der Dortmunder eingelassen, die bei einem Wechsel des Polen vor Vertragsende 2014 deutlich mehr als die 25 Millionen Euro kassieren möchten, die der Rivale aus dem Süden bislang wohl zu zahlen bereit ist. Eine Einigung mit dem BVB, der damit auch einen zweiten Starspieler verliert, steht offenbar unmittelbar bevor.
Heynckes denkt in der Jubelnacht schon ans Pokal-Finale
Selbst zum Schluss erwies sich Heynckes noch mal als Spaßbremse in der größten Nacht des FC Bayern. “Ich glaube nicht, dass ich die Spieler dazu kriege, morgen den Fokus auf das DFB-Pokalendspiel zu legen. Aber wenn es nach mir geht, würden wir diese Saison erst feiern, wenn die Arbeit wirklich erledigt ist.”
Seit er von seinem erzwungenen freiwilligen Abschied als Trainer in München weiß, befindet sich Heynckes wie man so sagt “im Tunnel” und sieht nur noch das große Ziel vor sich, mit dem maximalen Erfolg in München abzutreten und zur Legende zu werden. Dazu gehört auch nach dem Gewinn des großen Henkelpotts nun Mal ein plötzlich so profan erscheinender Sieg wie der gegen den VfB Stuttgart im Berliner Olympiastadion am kommenden Wochenende.