“Kein Spieler ist größer als der Klub” – die Dortmund-Fans schließen den künftigen Bayern-Star noch einmal in ihr Herz und gehen vorbildlich mit der brisanten Situation des anstehenden Wechsels zum verhassten Liga-Rivalen um.
Als Mario Götze zur Halbzeit des Halbfinal-Hinspiels in der Champions League gegen Real Madrid vom Rasen Richtung Kabine schlich, tönte ein gellendes Pfeifkonzert durch das frühere Westfalenstadion. Die Fans von Borussia Dortmund machten ihrem Unmut Luft. All die Enttäuschung, all die Wut – sie musste raus. Aber erstaunlicherweise galten die Pfiffe und Hasstiraden nicht dem abtrünningen Sohn der BVB-Familie, der künftig für den FC Bayern kicken wird. Die Wut der Fans richtete sich ausschließlich auf Schiedsrichter Björn Kuipers.
Der Holländer hatte unmittelbar vor Reals Ausgleichstreffer Marco Reus einen Foulelfmeter verweigert. Zu Recht, wie sich herausstellte. Aber das war den Fans natürlich egal. Sie gaben alles, um ihre Jungs zu unterstützen, und sei es durch die einschüchternde Akustik-Attacke gegen den Referee.
Wechsel? Welcher Wechsel?
Genau so hatte sich das Trainer Jürgen Klopp vorgestellt: Dass die schwarz-gelben Anhänger alles geben, für jeden einzelnen Spieler, für die gesamte Mannschaft, für den Klub. Borussia Dortmund steht über so profanen Dingen wie Vereinswechseln und enttäuschten Loyalitäten. Er hatte es sich erhofft, aber sicher war auch Mister Positiv-Denken nicht. “Das war etwas absolut Besonderes heute. Aus solch einer negativen Stimmung heraus diese Atmosphäre zu schaffen – das stellt alles in den Schatten“, lobte Klopp die eigenen Fans.
Auch die Hartgesottensten der schwarz-gelben Anhängerschaft hatten offenbar verstanden, worum es in erster Linie geht – ums Weiterkommen, das große Ziel. Zumindest für einen Abend, für das großartige Halbfinal-Hinspiel in der Champions League, vergaßen sie ihre Wut auf den FC Bayern und deren künftiges Juwel. Mario Götze wurde an diesem Abend einfach behandelt wie immer. Als hätte es die schmerzhafte Wechsel-Nachricht nie gegeben.
Das hat Klasse, das hat Stil
Schon vor Spielbeginn war klar geworden, dass der BVB-Anhang seinem Jungstar kein Spießrutenlaufen bereiten würde. Die dummen und fiesen Schmierereien im Internet fanden im Stadion zum Glück keine Fortsetzung. Als die Mannschaft zum Warmmachen aufs Feld lief, mischten sich nur einige ganz wenige Pfiffe in den standesgemäßen Anfeuerungs-Jubel. Auf der Südtribüne, in der Gelben Wand, fand sich ein einziges Spruchband mit der Aufschrift “Götze raus”, das aber nur einige Minuten überlebte.
Dagegen fanden sich auch “Danke Mario”-Plakate auf den Rängen. Die Fans hatten bei all ihrer Enttäuschung nicht vergessen, für welche Glücksgefühle dieses Supertalent auf den Rängen gesorgt hatte. Als Stadionsprecher Norbert Dickel die Mannschaftsaufstellung verlas, wurde Götzes Name keinen Deut leiser gebrüllt als all die anderen zehn der Startelf. Das alles hatte Klasse, das hatte Stil. Der Wunsch, die schwarz-gelben Himmelsstürmer noch eine Runde weiter begleiten zu dürfen, unterdrückte den ersten Impuls, den Spieler herauszupicken und für seine Entscheidung zu bestrafen.
Kehl: “Dafür lieben wir Mario”
Nationalspieler Götze konnte so seinen Teil dazu beitragen, die Königlichen mit 4:1 aus Westfalen zu verjagen. Den frühen Führungstreffer durch Robert Lewandowski bereitete der 20-Jährige perfekt vor. Und auch danach spielte er wie eigentlich meistens, nämlich: großartig. “Er hat gezeigt, warum er so wertvoll für uns ist. Dafür lieben wir ihn”, schwärmte Kapitän Sebastian Kehl. Götze zeigte ein enormes Laufpensum, trieb immer wieder seine Mannschaft nach vorne.
“Das war ein unfassbar gutes Spiel von ihm”, lobte auch Klopp, der seinem Schützling einmal mehr außergewöhnliche Qualitäten bescheinigte, die er zum Leidwesen der schwarz-gelben Seele künftig für einen anderen Klub in die Waagschale werfen wird: “Auch wenn diese Reaktion nicht normal ist – etwas Anderes hätte ich von einem Spieler wie Mario heute auch nicht erwartet.“
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Die Enttäuschung der Fans war und ist auch heute noch riesengroß. Man fragt sich schon, warum ein Spieler wechselt, wenn er alles hatte. Oder liegt es doch immer nur am großen Geld?