Die schwarz-gelbe Bestie liefert eine Gala für die Geschichtsbücher

Robert Lewandowskis unfassbarer Viererpack gegen Real Madrid lässt die Fans von Borussia Dortmund vom höchsten Glück träumen – und gleichzeitig bangen.

Diese Art von Problemen hätten sich die Fans von Borussia Dortmund vor einigen Jahren noch herbeigewünscht: Dass ihre Helden mit jedem Treffer wertvoller und begehrter würden; dass die Fußballwelt voller Neid auf Westfalen blickt. “Alleine das dritte Tor von Robert Lewandowski ist vermutlich jeden Cent für die Übertragungsrechte der Champions League wert”, schwärmte stellvertretend BVB-Trainer Jürgen Klopp nach dem Vier-Tore-Wahnsinn seines Stürmers beim frenetisch umjubelten 4:1-Sieg im Halbfinal-Hinspiel gegen Real Madrid. Wohl wissend, dass die derbe Packung für den berühmtesten Klub der Welt rund um den Globus für Aufsehen sorgt – und natürlich ganz besonders bei der mit Geldscheinen wedelnden Konkurrenz.

Watzke: “Es ist mein expliziter Wunsch, dass Robert bleibt”
Zwei Tage, nachdem der Wechsel von Jungstar Mario Götze zum FC Bayern öffentlich wurde und im Klub und bei der Anhängerschaft für Bestürzung sorgte, wissen die Borussen vermutlich gar nicht mehr, wie sehr sie sich über ihre Riesenerfolge freuen sollen. Denn noch während sich Lewandowski und Teamkollegen trotz der “Störfeuer aus dem Süden”, so BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke, zu einer weiteren berauschenden Europapokal-Gala aufschwangen, machten Gerüchte die Runde, auch der Torjäger werde schon kommende Saison beim Rekordmeister anheuern. Wie bei Götze gab sich Dortmunds Coach pragmatisch: “So ist es im Fußball, wenn man Erfolg hat. Wir beschäftigen uns nur mit dem heute und schauen jetzt nicht, was nächste Saison ist”, sagte Klopp.

Dortmunds Geschäftsführer dagegen weiß Gegenwart und Zukunft sehr wohl zu verbinden. “Es ist mein expliziter Wunsch, dass Robert bei uns bleibt. Dafür verzichten wir auch auf eine Ablösesumme”, sagte Watzke nach der Partie. Sprich: Nach dem Verlust von Götze wird der BVB nun mit aller Macht versuchen, wenigstens seinen Stürmer bis zum Ende der Vertragslaufzeit im Sommer 2014 zu halten.

Nicht mehr weit hinter Superstar Ronaldo
Sollte also wirklich ein Großklub gewillt sein, Lewandowski vorzeitig abzuwerben, würde es sehr, sehr viel teurer als zurzeit angenommenen. Nachdem das Verhältnis mit dem FC Bayern durch den Götze-Wechsel so ziemlich vergiftet ist, können sich die Münchner jegliches Entgegenkommen abschminken. Gut möglich, dass Dortmund Lewandowski schon aus Trotz nicht abgeben wird – oder nur für eine Fabelsumme, oder nach Spanien oder England.

Was sie beim BVB am polnischen Nationalspieler haben, war jedenfalls gegen die Königlichen aus Madrid überdeutlich zu sehen. Einen Viererpack – den gab es noch nie in einem Halbfinale der Champions League. Dass ein Spieler in der Königsklasse gegen Real vier Mal erfolgreich ist, war ebenfalls ein Novum. Beim Führungstreffer (8. Minute) verwertete der Torjäger die perfekte Vorarbeit von Mario Götze, beim 2:1 kurz nach der Pause (50.) bewies er ein Näschen für die Situation und spitzelte den Ball ins Netz. Der dritte Treffer war kunstvoll ins Tor der Madrilenen gedrechselt (60.), während er den vierten völlig humorlos per Elfmeter versenkte (67.). Und fast hätte der nach Atletico-Madrid-Star Falcao wohl begehrteste Angreifer in Europa sogar noch sein fünftes Tor gemacht, doch an seinem Lupfer hatte Real-Torwart Diego Lopez noch knapp die Finger dran (78.).

Ein Deutsches Finale zum Greifen nahe
Mit nun zehn Treffern im laufenden Wettbewerb rückt der 24-Jährige bis auf zwei Treffer an Reals Superstar Cristiano Ronaldo ran. In den jüngsten 19 Pflichtspielen hat Lewandowski 21 Mal getroffen. Zu seinem tollen Lauf in Sachen Statistik kommen zudem noch weitere, hoch einzuschätzende Qualitäten: Wohl kein Stürmer in Europa ist so stark darin, hohe Bälle anzunehmen und zu behaupten; bei kaum einem anderen schlummern ähnliche Spielmacherqualitäten, auf die er bei Bedarf zurückgreifen kann.

Lewandowski ist zurzeit der Garant dafür, dass die Vollgasfußballer des BVB weiter vom allerhöchsten Ziel träumen dürfen: dem Gewinn der Champions League am 25. Mai in London – dann womöglich im brisanten, rein deutschen Finale gegen den Bundesliga-Konkurrenten aus München. Wenn “Lewa” geht, also spätestens 2014, werden die BVB-Fans noch so manche Träne vergießen, auch wenn sie sich mit seinem Abschied längst abgefunden haben.

Im Borusseum ist noch Platz
Ein Titel würde den Schmerz erheblich lindern, das hat die Vergangenheit gezeigt. Nuri Sahin verabschiedete sich mit der Deutschen Meisterschaft, Shinji Kagawa mit dem Double aus Meisterschaft und DFB-Pokal. Mario Götze und Robert Lewandowski das Ganze sogar noch toppen: mit dem zweiten Gewinn der Königsklasse nach 1997. Davor stehen für die Borussia allerdings noch die Hausaufgaben, sprich das Rückspiel in Madrid, bei dem sich die Mannschaft so tölpelhafte Fehler wie den von Mats Hummels vor dem zwischenzeitlichen 1:1 (43.) nicht leisten kann. Erst der Aussetzer des Abwehrchefs, der einen Rückpass Gonzalo Higuain in den Fuß spielte, ermöglichte Ronaldos 50. Jubiläumstreffer in der Champions League.

Im Estadio Santiago Bernabeu könnten solche Leichtsinnsfehler höchst gefährlich sein, Vorsprung hin oder her. Die Königlichen sind durch das Hinspielergebnis maximal in ihrer Ehre getroffen und werden alles dafür geben, das Wunder zu schaffen. Das wissen auch die Borussen: “Wir sind noch längst nicht durch. Man muss ja nur mal in die Historie des Europapokals schauen, wie oft Madrid ein 3:0 noch gedreht hat”, warnte BVB-Chef Watzke. Auch Klopp tritt auf die Euphoriebremse bei seiner schwarz-gelben Bestie: “Die vier Tore von Robert Lewandowski werden später mal hier nebenan im BVB-Museum Borusseum ihren Platz haben. Aber nur, wenn wir weiterkommen!”

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