Irre, Wahnsinn, unglaublich: Borussia Dortmunds Last-Minute-Wunder gegen Malaga wird allen Akteuren lange in Erinnerung bleiben.
Borussia Dortmunds Urgesteine Kevin Großkreutz und Sebastian Kehl standen noch weit nach Spielschluss auf dem Rasen und konnten ihr Glück nicht fassen. Mit offenem Mund bestaunten die Ersatzspieler in der Wiederholungsschleife auf der großen Videoleinwand, wie ihre Teamkollegen gerade Champions-League-Geschichte geschrieben hatten: Wie erst Marco Reus mit seinem Treffer in der 91. Minute Hoffnung keimen ließ, und wie weitere 69 Sekunden später Felipe Santana das Wunder wahr machte und den nicht mehr für möglich gehaltenen Siegtreffer zum 3:2 gegen den FC Malaga erzielte.
Zwei Tore in der Nachspielzeit, die den frisch entthronten Deutschen Meister entgegen jeder Wahrscheinlichkeit doch noch ins Halbfinale der Königsklasse brachten. Der Rest war unfassbarer Jubel: auf dem Rasen, auf den Rängen, die komplette Mannschaft feierte auf dem Absperrzaun zur Südtribüne. Das frühere Westfalenstadion explodierte in der Schlussphase förmlich vor positiver Stimmung, Dramatik und Intensität. Kein Beteiligter wird diese Szenen je vergessen.
Klopp: “Auf der Bank waren alle nah am Herzinfarkt”
“Es war wie in der vergangenen Saison beim Gewinn der Meisterschaft“, sagte Trainer Jürgen Klopp sichtlich gezeichnet nach dem Match. Zum ersten Mal seit 15 Jahren steht der vor gar nicht allzu langer Zeit beinahe bankrotte BVB wieder im Halbfinale der Champions League. “Auf der Bank waren alle nah am Herzinfarkt. Es war ein ganz großer Abend, den werde ich nie vergessen”, befand der Coach über das schier unglaubliche Ende. “So etwas habe ich noch nicht erlebt. Ich bin fix und fertig”, sagte BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke bei Sky. “Es ist schwer, die richtigen Worte zu finden”, sagte Manager Michael Zorc.
Für die Spieler galt das zum Glück nicht: Cool bis an die Schmerzgrenze entdeckte der BVB gerade noch rechtzeitig den Schlüssel zu einem Spiel, das unter keinen denkbaren Umständen mehr zu retten schien. Mit der allerletzten Kraftanstrengung zogen die Dortmunder gegen bärenstarke Andalusier den Kopf aus der Schlinge, nachdem Joaquin (25.) und Eliseu (82.) die Gäste zwei Mal in Führung gebracht hatten. Vor allem die eingewechselten Nuri Sahin und Mats Hummels ermöglichten mit ihren präzisen und langen, aber nie verzweifelten Pässen die Wende.
Dortmunds Vollgasfußballer zunächst total unflockig
Es war wohl eine Ironie der Geschichte, dass der BVB nach seinen zuvor durch die Bank rauschhaften Auftritten in Europa dieses Mal nur auf der Felge ins nächste Etappenziel rumpelte. “Das war unser schlechtestes Spiel in dieser Champions-League-Saison”, gab Klopp unumwunden zu. Nach dem trügerischen Erfolg der Nullnummer im Hinspiel, die einen Sieg vor eigenem Publikum nötig machte, gingen die schwarz-gelben Himmelsstürmer überraschend mutlos in die Partie.
Die Angst vor dem großen Ziel schien die Elf lange Zeit zu lähmen. “Die Mannschaft wollte unbedingt weiterkommen und spielte unter diesem Druck nicht flockig genug”, analysierte Klopp seinerseits flockig. Weder Ilkay Gündogan noch Reus konnten das Offensivspiel wie gewohnt ankurbeln, ganze zwei Chancen sprangen im ersten Durchgang raus – für die Vollgasfußball gewohnten Dortmunder eine eher bescheidene Zahl. Immerhin nutzte Robert Lewandowski die schönste Kombination des Spiels zum zwischenzeitlichen Ausgleich (40.).
“Man muss Spiele auch mal an regnerischen Tagen gewinnen”
Auch in der zweiten Halbzeit wurde es nicht viel besser, weil Malagas Defensive um den früheren Bayern-Star Martin Demichelis tief gestaffelt und bestens sortiert stand und dem BVB die zündende Idee fehlte. Trotzdem erarbeitete sich der Geheimfavorit auf den Titel nun Möglichkeiten, aber wie im Hinspiel scheiterten Mario Götze und Reus aus besten Positionen. “Wir haben drei oder vier hundertprozentige Chancen herausgespielt, das ist in dieser Spielzeit nicht vielen Teams gegen Malaga gelungen”, verwies der BVB-Trainer auf die positiven Seiten.
Nicht zu Unrecht, denn einschließlich der Qualifikation hatte Dortmunds harte Viertelfinal-Nuss zuvor sieben Partien ohne jeglichen Gegentreffer im Wettbewerb hingelegt. “Man muss Spiele auch mal an regnerischen Tagen gewinnen – und bei uns hat es heute richtig geschifft”, erklärte Klopp den viel umjubelten Arbeitssieg, der noch auf Jahre im kollektiven Bewusstsein der BVB-Fans haften bleiben wird.
Subotic hofft auf das Hollywood-Happy-End
Der gelang auch, weil dem BVB diesmal das Glück zur Seite stand. Nachdem in der Gruppenphase gleich mehrfach Gegentreffer in letzter Minute zu beklagen waren – darunter auch ein ungerechtfertigter Elfmeter bei Manchester City – hatte Dortmund nun allen Dusel der Welt, einschließlich des wohl aus Abseitsposition erzielten Siegtreffers von Matchwinner Santana.
Aber schämen musste sich die Borussia deswegen nicht, denn zumindest beim zweiten Tor der Gäste griff der schottische Schiedsrichter Craig Thompson ebenfalls viel zu sparsam zur Pfeife. Und so bescherten sich die Dortmunder doch noch mit einem Ergebnis, dass weiter träumen lässt auf dem Weg nach Wembley, dem Spielort des Finales. “Was wir hier erleben, ist wie ein Hollywood-Film”, sagte Verteidiger Neven Subotic. “Hoffentlich gibt es ein Happy-End.”