Mit großer Leidenschaft und hoher Spielkultur stürmt Borussia Dortmund zum ersten Mal seit 15 Jahren wieder ins Viertelfinale der Champions League – und erklärt einem unsichtbaren Gegner den Kampf.
Auch ein Viertelfinalheld hat‘s nicht leicht. Weil er in seine schnieke Königsklassen-Verkleidung schlüpfen musste, zu der einfach keine frisurschonende Pöhler-Kappe passt, saß Jürgen Klopp leicht zerzaust auf dem Podium der Pressekonferenz und grummelte missmutig ins Mikro. “Danke für den Rucksack, Ottmar Hitzfeld!“, schickte Borussia Dortmunds Trainer einen vergifteten Gruß an den TV-Experten, der die Schwarz-Gelben gerade am Bildschirm zum Topfavoriten der Champions League erklärt hatte.
“Bedanken” konnte er sich aber genau so gut bei seiner Mannschaft, die zum wiederholten Male in Europas Eliteliga eine Gala auf den Rasen zauberte. In der Form des eindrucksvollen 3:0 (2:0)-Siegs über Schachtar Donezk gehört der Deutsche Meister selbstverständlich zum engeren Kandidatenkreis für die begehrteste Trophäe des Klubfußballs. Da kann ihr Trainer noch so sehr bremsen.
Clevere Fachleute reden ihre Niederlage gegen Dortmund schön
Zu klar, zu dominant, zu eindeutig war die Partie gegen die ebenfalls spielstarken Ukrainer, als dass Klopp die allgemeine Lobhudelei aufhalten konnte. Lediglich eine Viertelstunde nach der Pause war Schachtar in der Lage, sein eigenes Spiel durchzudrücken, so wie deren Trainer Mircea Lucescu es nach dem 2:2 im Hinspiel eigentlich von Beginn an geplant hatte. Doch da führte Dortmund durch den Doppelschlag von Felipe Santana (31.) und Mario Götze (39.) bereits mit zwei Toren.
Als Jakub Blaszczykowski nach gut einer Stunde noch einen drauf setzte, war Donezk endgültig der Zahn gezogen und die Borussia stand zum ersten Mal seit 15 Jahren wieder unter den besten Acht Europas. Superbayern hin oder her – vermutlich werden sich die Stimmen mehren, die den BVB als das heißeste Team Europas bezeichnen, so wie es kürzlich das angesehene englische Fußball-Magazin “Four Four Two” getan hatte. Eine neue Front für Klopp, der schon genug damit zu tun hat, Branchengrößen wie Real Madrids Coach Jose Mourinho in die Schranken zu verweisen, weil sie den BVB schon lange zum Geheimfavoriten erklärt haben. “Das sind clevere Fachleute, die vorab ihre Niederlage gegen uns schönreden.”
Nur zehn Minuten wackelt das BVB-Kunstwerk
Auf das Weiterkommen gegen Schachtar jedenfalls können sich Klopp und Co. durchaus etwas einbilden, auch wenn das Ergebnis keine große sportliche Herausforderung vermuten lässt. Ein Team wie den ukrainischen Serienmeister auszuschalten, ist alles andere als selbstverständlich. Wie schon gegen Ajax Amsterdam, Real Madrid und Manchester City boten die Schwarz-Gelben erneut eine taktisch reife Leistung, die aber auch absolut nötig war. Sie ließen sich weder locken von den bis zuletzt geduldig auf Konter bedachten Gästen, noch in deren Drangperiode überrollen.
An diesem Gegner hätte sich so manch anderer Favorit die Zähne ausgebissen. “Zehn Minuten lang nach der Pause haben wir unseren Torwart Roman Weidenfeller gebraucht. Aber sonst war das von der ersten bis zur letzten Minute stark gespielt. Das ist ein außergewöhnlicher Moment für uns”, sagte ein stolzer Klopp.
Kehl kommt mit angebrochener Rippe
Sein Team hatte sich zudem erfolgreich über einige Hindernisse hinweg gesetzt. So kompensierte die Mannschaft im Gegensatz zur verkorksten Pokal-Partie in München den Ausfall des grippekranken Nationalverteidigers Mats Hummels. Der zuletzt viel kritisierte Ersatzmann Felipe Santana spielte bärenstark und brach mit seinem wuchtigen Kopfballtreffer nach einer Ecke von Mario Götze den Bann.
“Vielleicht liegt es doch an der Frisur”, unkte Klopp. Santana hatte sich nach langer Zeit wieder eine Glatze scheren lassen und glänzte nicht nur in modischer Hinsicht unter dem Flutlicht des Stadions. Der ebenfalls starke und für das Dortmunder Vollgas-Spiel so wichtige Sven Bender musste mit einer Sprunggelenksverletzung zur Pause ersetzt werden. Für ihn quälte sich Sebastian Kehl durch die Partie – dabei ging der Kapitän und Kämpfer mit einer angebrochenen Rippe auf den Rasen.
An manchen Tagen die Fußballwelt verändern
Dass nebenher noch Ballkünstler wie Mario Götze auf dem Platz standen, der auf der großen Bühne regelmäßig aufblüht, machte die Sache natürlich leichter. Auch gegen Donezk sprühte das 20-jährige Supertalent nur so vor Spielfreude und war mit “nur” einem Treffer sogar noch schlecht bedient. Stürmerstar Robert Lewandowski hielt sich ausnahmsweise in Sachen Torejagd zurück, glänzte dafür aber mit großer Spielübersicht und als Vorbereiter.
Und dann hat der BVB ja auch noch Marco Reus, bei dem die Beobachter trotz guter Leistungen immer noch das Gefühl haben, da ist noch viel, viel mehr Luft nach oben. Angesichts der überbordenden Offensivkraft fühlte sich sogar Klopp zu einer kleinen Lobhudelei hingerissen. “Wir können nicht jeden Tag die Fußballwelt verändern – aber an manchen Tagen.”
Die Fans haben gerade andere Sorgen
Kein Wunder also, dass der BVB als klarer Gewinner vom Platz ging. “Die Borussia hat verdient gewonnen. Schon vor dem Spiel habe ich gesagt, der Sieger der Partie zieht ins Finale ein. Ich wünsche dem BVB viel Erfolg auf dem Weg”, sagte Gäste-Coach Lucescu anerkennend und gab den Schwarz-Gelben den nächsten Rucksack mit auf den Weg Richung Wembley, wo am 25 Mai das Endspiel steigt.
“Ich würde mich sehr freuen, wenn Herr Lucescu als Hellseher so gut ist wie als Trainer”, erwiderte Klopp und bemühte sich, auch dieses Lob rechtzeitig abzugrätschen. “Wir haben unser Saisonziel erreicht und sind im Viertelfinale. An das Endspiel denken wir jetzt nicht.” Für die Fans ist im Übrigen noch nicht einmal der nächste Gegner der K.-o.-Runde spannend im Moment. Vier Tage vorm prestigeträchtigen Bundesliga-Duell beim FC Schalke 04 verabschiedeten sie ihre Helden lieber mit diesem Auftrag in die Nacht: “Wir wollen den Derbysieg!”
Pingback: Die Blog- & Presseschau für Donnerstag, den 07.03.2013 | Fokus Fussball