Pickepacke voll ist der Saal 275 im Ernest N. Morial Convention Center von New Orleans, als ein älteres Ehepaar schwungvoll die Bühne entert. Über 30 TV-Kameras warten gespannt, dazu Dutzende Journalisten – deutlich mehr als beim Bürgermeister der Stadt vor wenigen Tagen. Jack und Jackie Harbaugh schmettern ein kräftiges „Wow“ in die Runde – und die Show kann beginnen.
“Wer hat es besser als wir? – Niemand”
Weil sich in der Nacht auf Montag im 47. Super Bowl erstmals zwei Brüder als Cheftrainer gegenüberstehen, bekommen vorm großen Endspiel der National Football League NFL sogar die Eltern der Hauptfiguren ihre eigene Pressekonferenz!
„Wer hat es besser als wir?“, rufen die beiden Oldies ins Publikum – ihr jüngerer Sohn Jim spielt mit den San Francisco 49ers gegen Johns Baltimore Ravens um die begehrte Vince-Lombardi-Trophäe. Sie rufen es einmal, sie rufen es zweimal – solange, bis es von der Presse laut genug zurückschallt: „Niemand!“ Der frühere College-Football-Coach Jack plaudert lässig aus dem Nähkästchen, imitiert Baseball-Reporter und nimmt sich dann gekonnt selbst hoch: „Sagt mal, quatsch ich zuviel?“ Seine Frau springt dem Energiebündel immer wieder zur Seite, bringt Gefühl ins Gespräch und reagiert ebenso schlagfertig. „Wir sind einfach nicht kreativ genug“, antwortet sie auf die Frage, warum die Vornamen der Harbaughs stets „J“ beginnen. Wenn ihre Söhne am Wochenende nur halb so viel Klasse und Emotion zeigen beim größten Sportspektakel der USA, wird dieses Finale ein Hit.
Tröstliches Remis oder Thrill des Gewinnens?
Die Familie Harbaugh – diese Geschichte ist besser als jede amerikanische Seifenoper. Es ist die Story einer Football-Dynastie, die im Super Bowl auf ihren grandiosen Höhepunkt zusteuert. In der Liga standen sich Jim und John erst ein einziges Mal gegenüber, Letzterer gewann mit den Ravens an Thanksgiving 2011mit 16:6 – einen Tag vor der Goldenen Hochzeit der Eltern. Die Harbaughs haben offensichtlich das Sieger-Gen, aber trotzdem wird nur einer den Superdome von New Orleans strahlend verlassen, der andere tieftraurig. „Wir sind dann in Gedanken sicher mehr beim Verlierer“, verspricht Jackie mit mütterlicher Wärme und träumt laut davon, die NFL möge doch bitte kurzfristig das Unentschieden als mögliches Endergebnis in die Regeln aufnehmen. Nur um sich später einen liebevollen Konter ihres Gatten einzufangen, der mit gefletschten Zähnen bellt: „Es geht nichts über den Thrill des Gewinnens.“
“Mit dem Kopf in den Kartoffelbrei”
Jackie schwärmt über die menschliche Wärme ihrer Söhne, ihr soziales Engagement, ihre Qualitäten als Väter eigener Kinder. Ihr Credo: „Familie, Familie, Familie“. Jack erzählt, wie er vor Jahren mit John zusammen arbeitete und über die vielen fruchtbaren Taktik-Diskussionen auf dem gemeinsamen Weg zur Arbeit. Und er erzählt stolz, dass er sein eigenes Leitbild in den Mannschaften seiner Jungs erkennt: „Das Team, das Team, das Team.“ Beide witzeln, wie sehr sich die Mutter wünschte, John werde aus der Art schlagen, was „Vernünftiges“ lernen und auf sein Studium der Politischen Wissenschaften einen Jura-Abschluss draufsatteln. Und Jack macht es noch Jahre später sichtlich Spaß zu juxen, wie seine Frau „mit dem Gesicht in den Kartoffelbrei schlug“, als auch der ältere Sohn die Trainerlaufbahn einschlug. Bei Jim, der als Spieler erfolgreicher war und 177 NFL-Spiele auf der Quarterback-Position absolvierte, war wohl längst Hopfen und Malz verloren.
Das Duell auf der nächsten Ebene
Etwas abseits des Bruderduells, das von den Medien längst zum „Harbowl“ umgetauft wurde, hat der Super Bowl noch eine weitere Volte parat. Die Familie Harbaugh hat schließlich einen Ruf zu verteidigen: Als Praktikant im Trainerstab der Baltimore Ravens wird Jay Harbaugh alles daran setzen, den 49ers ein Bein zu stellen – und seinem Vater Jim.