Eine Kopie des Vorjahres – zum Glück eine schlechte: Bei Borussia Dortmunds knappem Auftaktsieg über Ajax Amsterdam vertreibt erst der späte Treffer von Robert Lewandowski die bösen Geister der vergangenen Champions-League-Saison.
In all die glücklichen Gesichter bei Borussia Dortmund mischten sich nach dem knappen 1:0-Sieg über Ajax Amsterdam auch einige genervte. Immer dann, wenn der unausweichliche Vergleich aufkam mit der katastrophalen Europa-Kampagne des BVB im Vorjahr. Etwa bei Kapitän Sebastian Kehl, der in der improvisierten Mixed Zone unter der Gegentribüne des früheren Westfalenstadions plötzlich zu einer Basta-Rede ansetzte: „Es ist nervig, immer wieder auf die letzte Saison angesprochen zu werden. Wir müssen jetzt einen Haken dran machen.“ Und doch zeigt die Reaktion, welche Bürde die Schwarz-Gelben mit in die erste Gruppenpartie der neuen Spielzeit schleppten: Zu offensichtlich war die Erleichterung, auf der großen Bühne Königsklasse nicht schon wieder als Fehlbesetzung dazustehen.
Zwischen internationaler Klasse und Harakiri-Fußball
Dabei lieferte die hochintensive und packende Partie des Deutschen Meisters gegen Hollands Titelträger etliche Parallelen zur Unglückssaison in der Champions League, die der BVB mit nur vier Punkten als Letzter einer vermeintlich leichten Gruppe abschloss. Auch gegen das junge, mal wieder im Umbruch befindliche Team aus Amsterdam zeigte Dortmund erneut all die Facetten, bei denen der Beobachter kaum noch unterscheiden kann, ob das nun gehobene internationale Klasse ist oder doch nur brotlose Schnörkelei mit Harakiri-Elementen.
Mit den Offensivkünstlern Mario Götze und Marco Reus erstmals gemeinsam in der Startelf zauberte der BVB seinen leidenschaftlichen Angriffsfußball auf den Rasen, der in der Bundesliga seit zwei Jahren das Maß aller Dinge ist. Dankbar überließ der BVB den Gästen den Vortritt in Sachen Ballbesitz, um dafür umso konzentrierter am eigenen Überfallfußball zu feilen. Spätestens Mitte der Ajax-Hälfte attackierten die Dortmunder, eroberten Ball um Ball und erarbeiteten sich fünf Riesenchancen. Aber all diese Möglichkeiten ließ der BVB in schlechter Erinnerung an 2011 fahrlässig liegen – einschließlich eines schwach geschossenen Elfmeters durch Mats Hummels kurz nach der Pause. Angesichts dieser eklatanten Torausbeute schwand selbst bei Berufsoptimist Jürgen Klopp zwischenzeitlich die Zuversicht: „Ich habe irgendwann gedacht, allzu viele Chancen kommen nicht mehr.“
Klopp: “Die Nerven muss man erst mal haben”
Auch hätte sich Dortmund nicht über den einen oder anderen Gegentreffer beschweren können, nach teilweise haarsträubenden individuellen Fehlern. Der schlimmste unterlief dem ansonsten souveränen Ilkay Gündogan gleich nach zwölf Minuten. Er hätte eigentlich den frühen Rückstand bedeuten müssen. Der Ajax-Konter war in seiner Entstehung fast baugleich mit dem vorm 0:1 im Auftaktspiel gegen Arsenal in der vergangenen Saison. Doch an genau diesem Punkt enden alle Parallelen zur Vergangenheit. Denn zum einen ist Amsterdams Däne Christian Eriksen – bei allem unbestreitbar großen Talent – noch kein Robin van Persie. Und zum anderen erwischte Roman Weidenfeller einen Riesentag. Der Torhüter hielt seine Mannschaft nicht nur in dieser Szene im Spiel. Insgesamt „drei Weltklasseparaden“ attestierte Klopp seiner Nummer eins in der Endabrechnung.
Ein weiterer Unterschied und damit Schlüssel zum Sieg im 180. Europapokalspiel des BVB war, dass der Revierklub einen Lernerfolg zeigte und nicht die Nerven verlor. Nachdem Klopp zur Pause noch monierte, seine Spieler hätten es mit dem Gas geben etwas übertrieben, gab der Coach ein schlichtes, aber wirksames Rezept mit auf den Weg in die zweite Halbzeit: Nicht hektisch werden, auf ein Tor warten, zur Not auf ein spätes. Zwei Minuten vor Ende der regulären Spielzeit belohnte sich der Deutsche Meister für seine Geduld: Stürmer Robert Lewandowski schloss supercool ab, obwohl er kurz nach der Pause aus nahezu gleicher Lage kläglich gescheitert war. „Die Nerven muss man erst mal haben“, zog Klopp angesichts der dramatischen Schlussphase den Hut.
“Wir können auch Europa” – aber was heißt das?
Es bleibt ein schmaler Grat, auf dem die Borussia international wandert. Mit ein bisschen mehr Glück hätte es auch schon im vergangenen Jahr super laufen können anstatt katastrophal. Dieses Mal hätte es ebenso gut schief gehen können, doch nun hat der BVB in ähnlicher Situation das bessere Ende für sich. Kapitän Kehl durfte schließlich zur Freude der Fans endlich reklamieren: „Wir können auch Europa.“ Was das angesichts der harten Aufgaben in einer Gruppe mit Real Madrid und Manchester City genau bedeutet, ist allerdings noch völlig offen.
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„Wir können auch Europa“… zumindest für dieses Spiel kann man das gelten lassen; der Sieg war verdient, wenngleich auch hinsichtlich des Zeitpunktes vom 1-0 etwas glücklich.
Aber wenn man daheim gegen Ajax nicht gewinnt, gegen wen will man in dieser Gruppe sonst 3 Punkte holen?
Sicher sind City und Real klar favorisiert, aber Ajax musste einfach geschlagen werden – das würde ich jetzt nicht zu hoch hängen.
Und der BVB muss sich bis zum Beweis des Gegenteils eben noch gefallen lassen auf die schwache letzte CL-Spiele angesprochen zu werden