Dortmunds Engpass auf den Außen

Dem BVB fehlen gleich vier etatmäßige Außenverteidiger. Schon beim Start in die Wochen der Wahrheit gegen RB Leipzig droht das zum Problem zu werden.

(Dieser Artikel lief am 14. Oktober bei zdfsport.de)

Die vermeintlich ruhige Länderspiel-Pause – für die Chefs von Borussia Dortmund hatte sie das Erregungspotenzial eines hektischen Liga-Endspurts. “Das kotzt mich ehrlich gesagt an”, schimpfte Sportdirektor Michael Zorc jüngst via “Bild”, als er von Lukasz Piszczeks Verletzung erfuhr.

Der Routinier hatte Polens Qualifikation für die WM 2018 mit dem Riss des Außenbandes im rechten Knie bezahlt und fällt wohl bis Jahresende aus.

Heißer Herbst für den BVB

Zorcs Zorn ist nachvollziehbar: Der Bundesliga-Spitzenreiter steht nun im Duell mit den extrem flügelstarken Leipzigern ohne vier Außenverteidiger da. Und der heiße Herbst für die Borussia geht erst los: Auf die Top-Partie des achten Spieltags gegen den Vizemeister folgen im nächsten Monat die Prestigeduelle mit dem FC Bayern und dem Revierrivalen Schalke 04. Zwischenzeitlich soll in Magdeburg die 2. Pokalhürde übersprungen werden.

Auch in der Champions League wird es ernst. Am Dienstag in Nikosia und zwei Wochen später im Rückspiel gegen Außenseiter APOEL darf sich Dortmund keinen Ausrutscher erlauben, wenn Ende November gegen Tottenham noch ein Showdown um den Einzug ins Achtelfinale möglich sein soll. Erst danach lassen sich belastbare Aussagen treffen, welchen Wert der beste Bundesligastart der BVB-Geschichte mit 19 Punkten und 21:2 Toren hatte und welche Saisonziele für die ambitionierten Westfalen realistisch sind.

Generationenwechsel beschleunigt

Neben Dauerbrenner Piszczek, der bislang nur 20 Pflichtspielminuten verpasste, muss der BVB auf Marcel Schmelzer, Raphael Guerreiro und Erik Durm verzichten. Kapitän Schmelzer kehrt nach einem Teilriss des Außenbandes wohl erst in zwei, drei Wochen in die aktuell beste Abwehr der Liga zurück. Auf Europameister Guerreiro muss Dortmund noch ein wenig länger warten, obwohl er nach dem Knöchelbruch beim Confed-Cup Fortschritte macht. Durms Comeback steht nach einer Hüftoperation in den Sternen.

Daher schlägt erneut die Stunde der Youngster beim BVB. U21-Europameister Jeremy Toljan und der erst 18-Jährige Dan-Axel Zagadou sind nun gesetzt. Der ebenfalls 18 Jahre alte Jan-Niklas Beste, zu Saisonbeginn mit einer erfolgreichen Stippvisite bei den Profis, könnte sich bald auf der Bank wiederfinden, nachdem er zuletzt zur U19 zurückgestuft wurde. Der mittelfristig ohnehin angestrebte Generationswechsel wird also beschleunigt.

Toljan mit Startschwierigkeiten
Das ist nicht ohne Risiko. Zagadou hat zwar schon Erfahrung als Schmelzer-Ersatz und sich nach frühen Wacklern stabilisiert. Aber der Hüne aus der Talentschmiede von Paris Saint-Germain hilft auf der linken Abwehrseite nur aus. Als gelernter Innenverteidiger hat er Stärken in der Lufthoheit, im Zweikampf und im Spielaufbau. Dagegen fehlt es noch an Speed und vor allem an der Fähigkeit, mit Dribblings und Flanken auch die Offensive zu bereichern.

Attribute, die Toljan auf seiner vergangenen Karrierestation Hoffenheim und im Sommer beim EM-Sieg der U21 auszeichneten. Doch der Allrounder, der links wie rechts einsetzbar ist und Zug zum Tor besitzt, hatte bislang keinen Start nach Maß bei den Westfalen. Trainer Bosz warf ihn ohne Wettbewerbserfahrung mit den neuen Kollegen ins kalte Wasser und tat dem 23-Jährigen mit dem BVB-Debüt zum Auftakt der Königsklasse in London keinen Gefallen.

Auch das Spiel gegen Madrid kam für das Sieben-Millionen-Euro-Schnäppchen zu früh – mit den Real-Superstars Cristiano Ronaldo und Gareth Bale war er überfordert. Beim Dusel-Sieg in Augsburg passte sich Toljan nahtlos der schwachen Teamleistung an. Kein Wunder: Der auf den letzten Drücker zum BVB gestoßene Toljan muss erst noch die Laufwege und Ticks seiner neuen Mitspieler verstehen lernen – nun eben im Spielbetrieb, denn einen anderen Piszczek-Vertreter hat Schwarz-Gelb zurzeit nicht.

Routine ist gefragt
Angesichts der nächsten Aufgaben kann Dortmund nur hoffen, dass die Lernkurve schnell nach oben zeigt und sich kein weiterer Spieler verletzt. Zumal die Außenverteidiger im 4-3-3-System von Trainer Peter Bosz ähnlich große Bedeutung haben wie zuvor unter Thomas Tuchel.

Im hoch verteidigenden BVB, bei dem selbst Torwart Roman Bürki bei eigenem Angriff fast am Mittelkreis kratzt, sind auch die Außen weit vorne verortet und sollen sich bei Ballverlust an der wilden Rückeroberung beteiligen. Das erfordert Hingabe, Konzentration und vor allem Routine, die sich die Youngster gerade mühsam erarbeiten.

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