Shinji Kagawa knüpft beim BVB fast wieder an frühere Glanzzeiten an. Der Mittelfeldmotor trägt die Hoffnung, dass in Monaco doch noch der Sprung ins Halbfinale der Königsklasse gelingt.
(Dieser Artikel lief am 19. April bei zdfsport.de)
Er spricht überlegt und leise, selbst die Journalisten aus Japan müssen im Bauch des früheren Westfalenstadions die Ohren spitzen für Zitate in ihrer Muttersprache. „Ich kann nicht gut schlafen. Die Angst ist immer noch da“, sagt Shinji Kagawa nach Dortmunds Sieg über Eintracht Frankfurt, mit dem die Borussia jüngst in der Bundesliga einen ersten Schritt zurück zur Normalität geschafft hat.
Auch der 28-Jährige kann sich nicht freimachen von den Folgen des Terrors, den der BVB als Ziel eines Bomben-Anschlags erlebte. Auf dem Rasen sieht man davon aber wenig. Seit Wochen gehört der Wirbler bei den Westfalen zu den Besten, und dieser Trend ist auch vorm schweren Viertelfinal-Rückspiel der Champions League bei AS Monaco (Mittwoch ab 20:25 Uhr im ZDF) ungebrochen.
Sonderlob von Trainer Tuchel
Spätestens seit dem Revierderby Anfang April ist Kagawas Aufschwung nicht mehr zu übersehen. Beim Remis auf Schalke zeigte der frühere Meisterschaftsheld fast schon wieder den Spielwitz der umjubelten Klopp-Jahre. Handlungsschnell, wendig, kreativ und mit einem Auge für die Situation: Nach Kagawas uneigennützigem Querpass auf Pierre-Emerick Aubameyang sah der BVB gegen Königsblau eigentlich wie der Sieger aus.
Gerade mit Dortmunds Stürmerstar harmoniert er prima. Schon bei der Niederlage in Berlin legte der Japaner einen Treffer für den Gabuner auf. Genauso in seinem wohl besten Spiel der jüngeren Vergangenheit, dem Heimspiel gegen den Hamburger SV. Da schickte er „Auba“ per Traumpass zum 3:0-Endstand. Zuvor hatte Kagawa den Freistoß zur Führung rausgeholt und kurz vor Ende der kippeligen Partie selbst als Torschütze geglänzt. Sogar Trainer Thomas Tuchel, sonst selten für ein Sonderlob zu haben, schwelgte: „Die Südtribüne feiert Shinji ab. Das hat er sich verdient.“
Antreiber gegen Monaco
In Abwesenheit von Marco Reus war es zuletzt immer öfter Kagawa, der beim BVB für zündende Ideen zuständig war. Wie sehr sich der Japaner wieder etabliert hat, wurde selbst bei der derben Pleite in München sichtbar – der angeschlagene Rechtsfuß wurde schmerzlich vermisst. Dafür war er im denkwürdigen ersten Viertelfinale der Königsklasse gegen Monaco wieder zur Stelle. Nach der wohl schlimmsten Nacht ihres Lebens, die alle Borussen eine Halbzeit lang lähmte, gehörte Kagawa im zweiten Durchgang der neu angesetzten Partie neben Nuri Sahin zu den Antreibern und wahrte mit einer Torvorlage und seinem Treffer zum 2:3 die Chance aufs Weiterkommen.
Der Bundesliga-Konkurrenz ist dieser Formanstieg nicht verborgen geblieben. So stellte Eintracht Frankfurt zuletzt sogar extra einen Sonderbewacher ab, um den flinken Flitzer einzudämmen. Der bullige SGE-Verteidiger Omar Mascarall lieferte sich lustig anmutende Ringkämpfe mit der halben Portion aus Fernost, ohne sie je in den Griff zu kriegen. Erneut verteilte Kagawa die Bälle clever und nur Gäste-Keeper Lukas Hradecky sowie der in einer Szene zu eigennützige Aubameyang verhinderten seinen siebten Pflichtspieltreffer in dieser Saison.
Wohin führt der Weg im Sommer?
Lange stand Kagawas fünftes Jahr für Borussia unter keinem guten Stern. Im Sommer setzte ihm der BVB in Weltmeister Mario Götze einen Konkurrenten für seine Lieblingsposition im offensiven Mittelfeld vor die Nase. Sprunggelenks-Probleme verschärften die Lage, Einsatzzeiten schmolzen. Doch Dortmunds Nummer 23 ließ sich nicht hängen, schob zuhause Sonderschichten. „Shinji ist ein Top-Profi. Er hegt nie einen Groll und ist immer da. Du kannst ihn nachts um drei Uhr wecken und den ersten Elfer schießen lassen“, lobte Trainer Tuchel. Der Lohn: Seit der Rückrunde steht er wieder regelmäßig auf dem Platz und durch Götzes Ausfall öfters in der Startelf. „Auch vorm Derby habe ich mich schon gut gefühlt und war immer überzeugt von mir“, sagt Kagawa selbstbewusst.
Kagawa spielt aktuell um seine Zukunft beim BVB. Der Vertrag läuft 2018 aus, für einen neuen muss er sich strecken. Noch vor kurzem wurde intensiv über seinen Abschied spekuliert, zumal sich der Verein bedeckt hielt. „Es hat noch keine Gespräche gegeben”, bestätigte Sportdirektor Michael Zorc kürzlich dem “Kicker”. Bei einem Marktwert von etwa zehn Millionen Euro könnte der Klub diesen Sommer letztmals eine üppige Ablöse mit Kagawa erwirtschaften. In seiner jetzigen Form aber ist er ein Gewinn für jedes Team und so scheint es zumindest ähnlich plausibel, dass in Dortmunds Mixed Zone noch länger die Ohren gespitzt werden, um japanische Zitate zu ergattern.