Vom Abwehrbollwerk zum Offensivspektaktel: Nach Jahren in der Versenkung gilt Dortmunds Königsklassen-Gegner AS Monaco plötzlich als das heißeste Team des Kontinents.
(Dieser Artikel lief am 18. April bei zdfsport.de)
Vier Jahre sind eine Welt im Fußball: Vor vier Jahren stürmte Borussia Dortmund durch Europa und kam erst im Finale der Champions League zum Stoppen. Zur gleichen Zeit dümpelte der AS Monaco in Frankreichs 2. Liga rum. Sieben Meistertitel und die eigene Endspielteilnahme in der Königsklasse 2004 waren verblasst, neue Erfolge schienen illusorisch.
Doch nun ist Monaco das „heißeste Team Europas“, „das spannendste Projekt des Kontinents“, die Medien überschlagen sich mit Superlativen. Dank des Jugendstils um Supertalent Kylian Mbappé ist den Monegassen diese Saison auch in der Champions League vieles zuzutrauen.
Abziehbild des Klopp-Fußballs
Den BVB-Fans wird das bei der schmerzhaften 2:3-Niederlage im Hinspiel des Viertelfinales nicht entgangen sein. Bei aller Trauer und Sprachlosigkeit über die furchtbaren Umstände der Partie, die unter dem Eindruck der Bombenattacke auf den Borussen-Bus stand, fühlten sich beim Auftritt der Gäste sicher einige an ihre früheren Helden erinnert. Das Führungstor durch Mbappé war, wenn auch abseits, ein Abziehbild jenes Überfallfußballs, mit dem Jürgen Klopps Dortmunder einst alle verzaubert hatten. Die Frische, Schnelligkeit und Power (sowie die leichte Unwucht der Defensive) – all diese Attribute kamen doch sehr bekannt vor.
Wie der BVB unter Klopp hat auch Monaco ein sensationelles Comeback hingelegt. Nach einem schleichenden Niedergang war die Association Sportive 2011 am Tiefpunkt, stieg in die 2. Liga ab und rutschte dort sogar auf den letzten Tabellenplatz. In jenem Winter verkaufte Fürst Albert II die Klub-Mehrheit an einen russischen Milliardär. „Düngerkönig“ Dmitri Rybolowlew steckte fortan viel Geld in den Verein. Bei der Rückkehr in die Ligue 1 2013 schüttete er für den schnellen Erfolg fast 160 Millionen Euro aus und ließ Stars wie Radamel Falcao oder James Rodriguez holen.
Trotzdem ein Transferüberschuss
Seit diesem Kickstart investierte Rybolowlew munter weiter, in den vergangenen drei Jahren noch einmal etwa 190 Millionen Euro. Auch dank der „Financial Fair Play“-Regel der UEFA änderte sich das Geschäftsmodell aber grundlegend. Durch Verkäufe vornehmlich junger Perspektiv-Spieler hat der Klub sogar einen Überschuss erzielt. Allein der Wechsel von Anthony Martial zu Manchester United brachte 50 Mio. Euro. Beim 18-Jährigen Shooting-Star Mbappé, der sein Team mit zwei Toren in Dortmund nahe ans Halbfinale schoss und schon im Achtelfinale zwei Treffer gegen Manchester City erzielte, dürfte selbst diese Dimension bald deutlich gesprengt werden.
Monacos Akademie La Turbie knüpft an die große Vergangenheit als Talentschmiede Frankreichs an, sie brachte schon Weltmeister wie Thierry Henry, Lilian Thuram oder Emmanuel Petit hervor. Unter dem technischen Direktor Luis Campos, der im vergangenen Herbst zu OSC Lille wechselte, angelte sich der Klub weitere Hochbegabte, etwa den im Rückspiel gesperrten Fabinho (23), Spielmacher Bernardo Silva (22), Flügelflitzer Thomas Lemar (21) oder Tiemoué Bakayoko (22). Für alle gilt: Sollte ihnen die Bühne des Stade Louis II mit seiner Mini-Kulisse von nur 18.500 Plätzen bald zu klein werden, wird sie der Klub wohl mit großem Gewinn abgeben.
Chloroform-Taktik ist passé
Trainer Leonardo Jardim hat im dritten Jahr den Umbruch vom alternden Defensivkunstwerk zum jugendlichen Offensivspektakel gemeistert. Vor zwei Spielzeiten noch wurde eine Monaco-Partie zur langweiligsten der Saison gekürt, Jardims Spielstil als „Chloroform-Taktik“ verhöhnt. Nun aber hat sich um Veteranen wie Falcao, Joao Moutinho oder Kamil Glik das drittjüngste Team der Liga entwickelt, das fast nach Belieben trifft. „Wenn ein Team 1000 Millionen Tore schießen kann, dann Monaco“, sagte ManCity-Coach Pep Guardiola in tiefer Bewunderung. Ganz so viele sind es nicht, aber am Wochenende erhöhte Monaco sein Tor-Konto durch den 2:1-Sieg über Dijon FCO auf 90.
In Europas Top-Ligen übertrifft das nur der FC Barcelona. Damit bietet der Spitzenreiter der Ligue 1 sogar dem noch üppiger alimentierten Scheich-Klub Paris Saint-Germain die Stirn. Eine ähnliche Entwicklung in der Champions League: Dort mauerte sich das Team in der Saison 2014/15 mit 4:1-Toren durch die Gruppenphase. Aktuell hat Monaco dagegen allein in der K.-o.-Runde schon neun Tore geschossen, obwohl es zwei Elfmeter liegen ließ. Der eine oder andere Treffer, so steht es für Dortmunds anfällige Abwehr zu befürchten, könnte im Rückspiel noch dazukommen.