Im DFB-Pokalfinale möchte Borussia Dortmund mit den alten Helden eine außergewöhnliche Saison krönen. Doch die nächste Spielzeit wirft ihre Schatten bereits voraus: Der neue BVB soll deutlich jünger werden und auch personell die Handschrift von Trainer Thomas Tuchel tragen.
(*Dieser Artikel lief am 19.5.2016 bei zdfsport.de*)
Da sind sie also wieder weit weg, die Bayern. Zehn Punkte am Ende in der Liga, und die vage Hoffnung auf ein wackeliges Übergangsjahr unter Neu-Trainer Carlo Ancelotti hat sich nach dem Wechselcoup um Mats Hummels auch wieder verflüchtigt. Selbst ein Sieg im DFB-Pokalfinale in Berlin brächte den BVB wohl nur für den Moment zurück in Schlagweite.
Dennoch dürfen sich die Fans von Borussia Dortmund auf die nächste Saison freuen, denn ihr Coach Thomas Tuchel legt gerade erst los mit seinem Zauber. Im zweiten Jahr wird er den Kader nach seinen Idealen formen. Ein Vorgeschmack bietet die Verpflichtung von Ousmane Dembélé, auf die sich der BVB einiges einbilden kann: Halb Europa war hinter dem 19 Jahre alten Sternchen von Stade Rennes her.
Sprungbrett Schwarz-Gelb
„Der Transfer ist besonders, weil Ousmane standhaft geblieben ist trotz all der Angebote“, sagte Tuchel jüngst. „Wir haben vielleicht weniger Strahlkraft als eine Handvoll andere Vereine. Aber wir sind das Pfund, auf das er sich verlässt.“ Während die extensive Kauf- und Verleihpraxis eines FC Chelsea fast unmenschlich wirkt, oder das Schicksal eines vermeintlichen Supertalents wie Martin Ödegaard abschreckt, der in Real Madrids Reserve versauert, lockt das Sprungbrett Schwarz-Gelb europaweit erfolgreich: mit der Gewissheit auf Geduld, Verantwortung und regelmäßige Einsätze – ab Sommer zudem wieder im Scheinwerferlicht der Champions League.
Tuchels Trend zu Talenten deutete sich in der ersten Spielzeit im früheren Westfalenstadion an. Die beiden 17-Jährigen Felix Passlack und Christian Pulisic feierten in der Rückrunde ihr Debüt als Profi. Letzterer trug sich sogar als viertjüngster Torschütze in die Geschichtsbücher der Bundesliga ein. In Dzenis Burnic steht der nächste Youngster aus dem viel beachteten BVB-Nachwuchs in den Startlöchern, der Ende Mai um die deutsche U19-Meisterschaft kämpft. Zudem rückte der 20 Jahre alte Jon Stankovic in den Kader. Vor allem aber US-Boy Pulisic, der diesen Sommer internationale Erfahrung beim Jubiläum der Copa America sammelt, könnte ein echter Faktor beim BVB werden.
Weigl bereits unverzichtbar
Noch mehr als Torjäger Pierre-Emerick Aubameyang mit 25 Ligatreffern oder der aufgeblühte Henrich Mchitarjan mit wettbewerbsübergreifend 55 Torbeteiligungen ist Julian Weigl zum Gesicht des erfolgreichen Aufbruchs in die Nach-Klopp-Ära geworden. Von Null auf Hundert hat er sich im defensiven Mittelfeld des Vizemeisters unverzichtbar gemacht. Auch für den Spielaufbau wird der Youngster immer wichtiger: Wie auf Bestellung brach Weigl zuletzt gegen den 1. FC Köln den Liga-Rekord von Münchens Mittelfeldmaestro Xabi Alonso: unglaubliche 214 Ballkontakte. Dabei stand der Shooting-Star nicht einmal volle 90 Minuten auf dem Platz.
Vermutlich mit ein Grund, dass Tuchel ob des Abgangs von Kapitän Hummels zum Branchenführer FC Bayern gar nicht so bange ist: „Wir müssen Mats’ Stärken umverteilen“. Neben Ballmagnet Weigl kommt zum Beispiel Gonzalo Castro dafür in Frage. Aber ebenso Mikel Merino. Der spanische U19-Europameister gilt für als Hoffnungsträger für das zentrale Mittelfeld. Physisch muss der Neue vom Zweitligisten CA Osasuna wahrscheinlich erst noch zulegen. Doch der ballsichere und clevere Merino, der wie Dembélé wohl locker bei einem noch größeren Klub hätte unterkommen können, scheint perfekt ins Ballbesitzschema zu passen. Gut möglich, dass in Weigl und Merino bald zwei 20-Jährige vor der BVB-Abwehr aufräumen.
Anreize für die Stars von morgen
Frisches Blut wäre das nächste gute Zeichen für den BVB, denn die frühere Rasselbande ist in die Jahre gekommen. Der Altersschnitt liegt bisweilen über 27 Jahren. Nachdem Tuchel im ersten Jahr das Fundament gelegt und den ehemaligen Balljägern ein dominantes Spiel vermittelt hat, kann er nun Akteure entwickeln für genau seine Art von Fußball. Da hilft es, dass im Matchplan des Trainers mit etlichen Grundvarianten und Ableitungen viel Raum für junge, variable Spieler besteht. Zu sehen bei Außenverteidiger Erik Durm, der im offensiven Mittelfeld aushalf.
Die extensive Rotation schafft weitere Möglichkeiten. Damit verteilt der frühere Meistertrainer der Mainzer A-Junioren nicht nur die Belastung, sondern schafft auch Anreize für die zweite Reihe. Beste Voraussetzungen für die Stars von morgen, sich ans gehobene Niveau eines ambitionierten Bundesligisten zu gewöhnen.