Borussia Dortmunds Abwehrspieler entspricht ganz und gar nicht dem gängigen Typus des modernen Fußballprofis. Wenn die Kollegen chillen, ist Subotic in wohltätiger Mission unterwegs. Auch, weil seine eigene Lebensgeschichte es so vorsieht.
(*Dieser Artikel lief am 5.9.2015 bei zdfsport.de*)
Es sind die üblichen Fotostrecken des Sommers: “Hier entspannen die Stars” oder “So relaxen die Bundesliga-Helden”. Körnige Paparazzi-Fotos von Mario Götze auf einer Luxus-Yacht im Mittelmeer, oder Bayern-Kollege Jerome Boateng, der aus Brooklyn Selfies mit Rap-Mogul Jay Z tweetet.
Und Neven Subotic? Der BVB-Verteidiger meldet sich per Tagebuch aus der Tigray-Region, einem der ärmsten Landstriche Äthiopiens. Warum? “Ich bin nicht nur Fußballer. Darauf möchte ich nicht reduziert werden.”
Mit Rucksack und Laptop zum Training
Der 26-Jährige hat vor gut drei Jahren eine Stiftung gegründet, mit der er Projekte in Afrika unterstützt. Fußball in Mosambik, den Bau von Brunnen und sanitären Anlagen in Äthiopien. Mehr als eine halbe Million Euro Spenden hat er schon aufgetrieben. “Insgesamt haben wir 24 Projekte gestiftet und die Lebensumstände für Tausende von Kindern verbessert”, sagt er stolz.
Auch die jüngste Sommerpause der Bundesliga nutzte Subotic, um sich 17 Tage lang vor Ort ein Bild zu machen: um Fortschritte zu überprüfen und die Menschen persönlich kennenzulernen. Die Reisen sind auch Belohnung: “Wenn uns die Leute ins Gesicht strahlen – dieses Feedback ist die größte Motivation.”
Für Subotic ist das längst mehr als ein Hobby: “Dafür stecke ich viel zu viel Zeit, Herz und Geld in die Stiftung. Es ist tägliche Arbeit”, sagt er. Der Verteidiger kommt mit Rucksack und Laptop zum BVB-Training, um die Pausen für seine Stiftung zu nutzen.
Er beantwortet Mails, bedankt sich für Spenden, stößt neue Ideen an, organisiert. Jeder Euro kommt ans Ziel, sämtliche Nebenkosten zahlt er selbst. “Es ist mein Lebenswerk”, sagt der Fußball-Millionär.
Selbst ein Flüchtling gewesen
Als Bürgerkriegsflüchtling hat er selbst die Schattenseiten des Lebens erfahren – und welche Hoffnung durch Hilfe entsteht. Subotics Familie entkam 1990 dem Bosnien-Krieg und fand in Schömberg bei Pforzheim Unterschlupf – unterm Dach eines Vereinsheims.
Vater Zeljko und Mutter Svjetlana schufteten in mehreren Jobs. Obwohl das Geld nicht immer reichte, schickten sie Lebensmittel und Medizin in die frühere Heimat. 1999 drohte die Abschiebung, die Subotics mussten wieder von vorne anfangen – und gingen in die USA. Verwandte in Salt Lake City gaben dort Hilfe zur Selbsthilfe. Prägend für den heranwachsenden Neven: “Von dem, was ich bekommen habe, möchte ich einiges zurückgeben. Das halte ich für meine Pflicht.”
Kein Profi von der Stange
Seine Fußballkarriere passt perfekt in diesen gebrochenen Lebenslauf: Die Familie zog für die tennisbegeisterte Tochter Natalija nach Florida, in die Nähe der berühmten Akademie von Nick Bollettieri. Doch Profisportler wurde am Ende Neven, weil er beim Kicken im nahegelegenen Park vom Co-Trainer der amerikanischen U-17 entdeckt wurde. Über ein Uni-Team und diverse US-Jugendmannschaften schaffte er es bis zum Probetraining bei Mainz 05 – der Rest ist Geschichte.
Ein Profi von der Stange kommt bei solch einer Vita nicht heraus: Seine Wohnmobil-Tour in der Winterpause 2010/11 ist bei den Fans Legende. Ebenso die Party im Dortmunder Kreuzviertel, als er nach dem Gewinn der ersten Meisterschaft mit dem BVB in die City fuhr und umringt von staunenden Anhängern auf seinem Autodach mitfeierte.
Spontaner Typ
“Oberkörper frei, ohne Schuhe wie ein Asi” – mit dieser Anekdote verewigte sich der Weltbürger sogar im Buch “Dortmunder Jungs”. Er ist ein Profi zum Anfassen, ein respektvoller Typ, der spontan beim Jubiläum eines Klub-Fanzines vorbeischneien kann oder persönlich bei Spendern vor der Tür steht, um sich zu bedanken.
Beim BVB wird er wertgeschätzt für seinen Anteil an der Ära Klopp, die er von Beginn an mit prägte. Und für seine Treue – obwohl immer die Premier League lockte. Inzwischen geht er ins achte Jahr in Dortmund – nie war er länger an einem Ort. Oder für sein Kämpferherz: Nach schwerer Knieverletzung arbeitete er sich zielstrebig zurück. Da erwachte wohl das Flüchtlingskind in ihm, das immer ein wenig mehr leisten will als die anderen.
Derzeit in der zweiten Reihe
Die Leidenszeit hat Dortmunds Nummer vier eher angespornt als umgeworfen, genau wie die schwache vergangene Saison oder die Tatsache, dass er zurzeit bei Schwarz-Gelb nur in zweiter Reihe steht. Bei allem Ehrgeiz sieht Subotic stets das große Bild: “Es ist ein Ziel, dass die Leute irgendwann nicht Neven, den Fußballprofi sehen, sondern Neven den Stiftungspräsidenten.”
————–Neven Subotic im Überblick————-
Neven Subotic wechselte im Sommer 2008 als 19-Jähriger vom damaligen Zweitligisten FSV Mainz zu Borussia Dortmund und formte dort mit Mats Hummels den zunächst belächelten “Kinderriegel”. Schon in der ersten Saison überzeugte der Innenverteidiger mit tollen Zweikampfwerten, großer Übersicht und Kopfballstärke.
Mit Dortmund feierte Subotic den Gewinn zweier Meistertitel und des DFB-Pokals sowie den Einzug ins Finale der Champions League. In der Saison 2013/14 setzte ein Kreuz- und Innenbandriss Dortmunds Nummer vier außer Gefecht.
International wäre der 1988 in Banja Luka im heutigen Bosnien-Herzegowina geborene Fußballer für vier Verbände startberechtigt gewesen. Nachdem er einige U-Teams der USA durchlaufen hatte, entschied er sich 2009 für Serbien. Seine Familie lebt heute in New York.