Für den BVB wird der kleinere europäische Wettbewerb zum wichtigsten Saisonanreiz. Um den im Blick zu halten, sollte im Spitzenspiel gegen den FC Bayern ein Punkt her.
Vermutlich wissen sie in Dortmund gerade gar nicht, wie sie mit diesen Nachrichten aus München umgehen sollen. Erst äußert sich Lieblingsfeind Karl-Heinz Rummenigge kurz vorm Topspiel seines FC Bayern löblich über BVB-Chef Hans-Joachim Watzke, zu dem er ja zuletzt ein skurriles Nicht-Verhältnis pflegte.
Dann hilft er dem früheren Erzrivalen noch mit einem finanziellen Anreiz: Als Chef der European Club Association ECA handelte der Bayern-Boss mit dem Fußballverband UEFA höhere Start- und Siegprämien für die Europa League aus – jenen Wettbewerb, mit dem Borussia die verkorkste Spielzeit retten könnte.
Ein möglicher Wink für Hummels und Gündogan
Denn nach der Horror-Hinrunde und dem zwischenzeitlichen Absturz auf den letzten Tabellenplatz könnte es das Team von Trainer Jürgen Klopp als großen Erfolg verbuchen, sollte am 23. Mai im letzten Bundesliga-Spiel gegen Werder Bremen noch die Qualifikation für die Europa League herausspringen. Für das Renommee des Klubs wäre es enorm wichtig, nach vier Jahren Königsklasse nicht komplett von der europäischen Bühne zu verschwinden. Und ganz nebenbei dürfte es ein gutes Argument sein, um Nationalspieler wie Ilkay Gündogan oder Mats Hummels in ihrer Karriereplanung zu beeinflussen. Beide machen sich aktuell Gedanken, ob sie auch ihre Zukunft in Westfalen verbringen möchten.
Rang sieben könnte schon reichen
Während Trainer Klopp nach den zahlreichen Rückschlägen in dieser Seuchensaison lieber vorsichtig bleibt, hat sich Sportdirektor Michael Zorc offenbar damit angefreundet, wieder höheren Zielen nachzujagen: „Wir sollten nicht weiter so tun, als würden wir uns in unmittelbarer Gefahr befinden“, sagte Zorc vor dem Spitzenspiel gegen München im „kicker“. „Der Abstand nach oben ist kürzer als nach unten.“ Zurzeit beträgt er fünf Punkte auf Rang sechs. Eventuell reicht sogar Rang sieben für den Sprung ins internationale Geschäft, sollte einer der Champions-League-Aspiranten das DFB-Pokalfinale gewinnen: München, Gladbach, Wolfsburg und Leverkusen sind noch im Rennen. In dieser Saison wird der Platz des Cupsiegers erstmals nicht an den Finalgegner weitergereicht, wenn er auch für die Königsklasse qualifiziert ist, sondern an die Bundesliga. Oder die Borussia holt den Pokal einfach selbst.
Zorc spricht von “lohnenswertem Ziel”
Den Dortmundern entgeht durch das ziemlich wahrscheinliche Verpassen der Champions League 2015/16 ein Sockelbetrag von 20 Millionen Euro. Der wird durch den kleineren Wettbewerb zwar nicht aufgewogen. Aber immerhin hat sich dank Rummenigges Einsatz an der Verbandsfront das Startgeld in der Europa League auf 2,4 Millionen Euro pro Team fast verdoppelt. Die Siegprämien werden um 64 Prozent steigen, insgesamt 381 Millionen Euro werden künftig an die Klubs ausgeschüttet. Die Prämie für den Finalsieger steigt auf 6,5 Millionen Euro. Schon ein Teilbetrag wäre für den BVB ein nettes Trostpflaster. Zumal die drei Heimspiele der Gruppenphase im früheren Westfalenstadion ausgebucht sein werden, selbst wenn der Gegner Slovan Bratislava heißt und nicht mehr Real Madrid. Zudem kommen für den schlechtesten Bundesliga-Vertreter durch die Qualifikationsrunde 3, die Playoffs und bei erfolgreichem Verlauf mit der Zwischenrunde bis zu drei zusätzliche Heimspiele dazu. Diese potenziellen Zusatzeinnahmen sind für Schwarz-Gelb mit seiner treuen Fanbasis nicht zu unterschätzen. Die Europa League – für Sportdirektor Zorc ist sie längst „ein lohnenswertes Ziel“.
Den Kontakt zur Konkurrenz halten
Abwegig erscheint der Sprung nach Europa nicht. “Ich habe im Winter schon gesagt, dass ich noch die Hoffnung habe, dass Dortmund die Qualifikation für das internationale Geschäft schaffen kann“, sagt etwa Ottmar Hitzfeld. Vor dem Hintergrund des Bayern-Spiels fordert der frühere Star-Trainer beider Teams: „Der Blick muss nach oben gehen. Es zählt jeder Punkt.“ Die Westfalen dürfen in dieser wichtigen Saisonphase den Kontakt zum oberen Tabellendrittel nicht abreißen lassen. Aus den Partien gegen München und in der Woche drauf bei Borussia Mönchengladbach sollte Dortmund zumindest zwei Punkte holen. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Konkurrenten Augsburg, Hoffenheim, Frankfurt und Werder zwei Spieltage in Folge kollektiv stolpern, ist nicht sonderlich hoch.
Europas Mittelstand hat einiges zu bieten
Auch aus Fansicht ist der kleinere europäische Wettbewerb durchaus reizvoll. So blöd sich das anhören mag: Die reisebegeisterten Anhänger würde es freuen, wieder unbekannte Ziele zweiter Wahl in Europa anzupeilen, anstatt zum vierten Mal in vier Jahren London oder zum dritten Mal seit 2012 Madrid. Der europäische Fußballmittelstand hat touristisch einiges zu bieten, zudem sind etliche Ziele über Billigflieger gut zu erreichen. Sportlich machbar sind die meisten Gegner allemal, wenn es nicht gerade gleich zum Europa-League-Adel nach Sevilla geht, das in den vergangenen zehn Jahren drei Mal den Cup gewonnen hat. Aber selbst die Andalusier hätten ihren Reiz, da der BVB dort bei seinem letzten Auftreten 2010 scheiterte und noch eine Rechnung offen ist. Nur auf die grenzwertige Polizei in Sevilla hat vermutlich kein Dortmund-Fan Lust.
Ein Platz ist noch frei im Borusseum
Und schließlich bietet die Europa League gerade für Dortmund den Ansporn, diesen Titel endlich nach Hause zu holen und die Trophäensammlung im heimischen Borusseum zu komplettieren. Alle drei großen europäischen Pötte zu gewinnen – das haben überhaupt erst vier Klubs geschafft: München, Juventus Turin, Ajax Amsterdam und der FC Chelsea. Mit einem Finalsieg würde der BVB zu den edelsten Adressen des Kontinents aufsteigen.