Vor allem dank der individuellen Klasse seines Superstars dreht der BVB erstmals in dieser Saison ein Spiel. Aber auch auf dem Weg dahin tanzt Borussia Dortmund wieder zeitweise auf der Rasierklinge.
Sechs Minuten vor dem Ende gönnte Borussia Dortmund dem Matchwinner einen weiteren orkanartigen Applaus: Nachdem der 4:2-Sieg über den FSV Mainz gesichert schien, durfte Marco Reus unter dem Jubel der schwarz-gelben Fangemeinde vorzeitig vom Platz. „Unser 2019-Mann“, schmetterte Stadionsprecher Nobert Dickel in die Lautsprecher und die wie immer stolze Kulisse ließ mehrfach den Namen ihres Helden folgen.
Schon vor der Partie war der Nationalspieler für seine Vertragsverlängerung gefeiert worden, auf dem Platz dann für einen tollen Treffer und eine noch schönere Torvorlage. Gegen die 05er machte vor allem die Klasse des 25-Jährigen den Unterschied aus.
Am Anfang ist Slapstick-Time
Denn trotz des vierten Heimsieges, der den BVB erstmals seit dem 14. Spieltag wieder aus der Abstiegsregion beförderte, zeigten die Westfalen in vielen Szenen ihr rätselhaftes Gesicht. „Die erste Halbzeit? Da wirst du ja bescheuert“, sagte BVB-Chef Hans-Joachim Watzke frei heraus. Denn gerade 53 Sekunden hielt die Aufbruchstimmung, die der BVB mit dem jüngsten Sieg in Freiburg und dem überraschenden Reus-Bekenntnis erzeugt hatte.
Dann nutzte der Mainzer Elkin Soto eine dieser unfassbaren Fehlerketten in der Dortmunder Hintermannschaft zu einem weiteren Slapstick-Gegentor in der an Dummheiten so reichen Saison-Geschichte. Die Fassungslosigkeit auf den Rängen des früheren Westfalenstadions war erneut greifbar.
Das Selbstvertrauen geht wieder flöten
„Wir sind ja keine Kinder, die immer dieselben Fehler machen“, sagte Jürgen Klopp nach der Partie erleichtert, obwohl alleine dieses 0:1 seine These widerlegen könnte. Der Unterschied zu früheren Auftritten war dann aber vor allem, dass der BVB einen gut aufgelegten Reus in seinen Reihen wusste. Obwohl auch dem zunächst nichts Zählbares gelang. Erst scheiterte der Mittelfeldstar am Pfosten (3.). Eine halbe Stunde später drosch er aus 13 Metern übers Tor, und kurz vor der Pause fand er bei einem Freistoß im guten Mainz-Keeper Stefanos Kapino seinen Meister, der aufgrund der Sperre von Stammtorhüter Loris Karius zwischen den Pfosten stand.
Insgesamt aber machte die Borussia einen fast bedauernswerten Eindruck. Je länger das Spiel dauerte, desto mehr Stockfehler schlichen sich ein und desto weniger zündende Ideen hatte der BVB. Das jüngst erarbeitete Selbstvertrauen schien sich wieder zu verflüchtigen. Dabei hatte Dortmund sogar ein wenig Glück bei Ilkay Gündogans Handspiel im eigenen Strafraum. Es gibt auch Schiedsrichter, die da Elfmeter gegeben hätten. „Bei 0:2 wird das hier natürlich ein anderes Spiel“, sagte Mainz-Trainer Kasper Hjulmand leicht verärgert.
Vorhang auf für Marco Reus
Nach dem Wechsel zeigte der BVB dann aber, dass er doch zu einem echten Lerneffekt fähig ist: Zum ersten Mal überhaupt in dieser Saison gelang es, einen Rückstand noch in einen Sieg zu verwandeln. Sogar, ohne dabei in Hektik zu verfallen. Beim Ausgleich benötigte der abgestürzte Vizemeister zwar noch ein bisschen Glück und eine Standardsituation. Verteidiger Neven Subotic erzwang nach einem Eckball das dringend nötige Erfolgserlebnis per Kopf (48.). Doch schon die Kombination von Kevin Kampl und Reus zum 2:1 (55.) war sehr sehenswert. Nach dem klasse Pass des Winter-Neuzugangs behielt Reus die Nerven und ließ sich von der Südtribüne feiern.
Seine wunderbare Vorlage vorm dritten Dortmunder Tor durch Pierre-Emerick Aubameyang (71.) war dann alleine das Eintrittsgeld wert. Aus dem Fußgelenk legte er den Ball an vier Mainzern vorbei perfekt auf für Dortmunds besten Offensivspieler, der im Fallen zu seinem achten Saisontreffer vollendete. “Marco ist unglaublich”, bedankte sich Aubameyang bei seinem Teamkollegen. “Er hat heute einen phänomenalen Tag erwischt”, stimmte Subotic ein. Und sogar vom Gästetrainer gab es Lob: „Das war schlicht Weltklasse“, sagte Hjulmand, dessen Mannschaft sich in der Tabelle nach unten orientieren muss. Mit diesem Traumtor reparierte der BVB auch den zwischenzeitlichen Ausgleich durch Yunus Malli (57.), der die Abwehr ohne den grippekranken Mats Hummels ein weiteres Mal nicht bundesligatauglich aussehen ließ und einige Minuten das Schlimmste befürchten ließ.
Klopp findet seinen Witz wieder
Nach der zweiten Führung agierte der BVB aber sehr viel cleverer und ließ die Gäste nicht mehr zurück ins Spiel. Vielmehr machten die Westfalen den ersten Sieg-Doppelpack seit Spieltag zwei und drei nun perfekt. Nuri Sahin nutzte den einzigen Fehler von Mainz-Keeper Kapino und drosch den nach vorne abgewehrten Aubameyang-Freistoß in die Maschen (78.). „Diese Gier auf einen Abpraller ist uns in der Hinrunde nie gelungen“, sagte Klopp, erleichtert über einen weiteren Fortschritt. Vier Tore in einem Liga-Spiel sind im Übrigen auch Saisonrekord für die oft hakende BVB-Offensive.
Der in die Kritik geratene Trainer hatte nach den unzähligen Rückschlägen endlich auch wieder seine gute Laune wiedergefunden: Als Sky während des Interviews mit ihm die Tabelle einblendete – die obere Hälfte ohne den BVB auf Rang 14 – konterte der Coach schlagfertig: „Kein Problem, ich bin ja grundsätzlich an Fußball interessiert.“
Pingback: Borussia Dortmund nach 22 Spieltagen in der Saison 2014/2015 > Borussia Dortmund, Fußball > Bundesliga, BVB, Champions League, Rückblick, Saison 20142015