Mustafi: „Es war Zeit für den nächsten Schritt“

Ein Treffer im Heimspiel gegen Elche, und nun sogar ein Doppelpack gegen Villarreal: Weltmeister Shkodran Mustafi kommt nach einigen Anlaufschwierigkeiten bei seinem neuen Klub FC Valencia gerade richtig ins Rollen. Im Interview mit athletic-brandao.de erklärt der Innenverteidiger, warum er froh über den holprigen Start ist und warum man auch mal zwei Schritte zurück gehen muss, um seine Karriere voranzubringen.

Vor dem Gespräch heißt es noch kurz, die Tücken des Alltags zu meistern: „Shkodran muss eben noch einparken“, sagt Kujtim Mustafi in der Lobby eines Fünf-Sterne-Hotels nahe am Zentrum von Valencia, mit Blick auf den Grüngürtel im trockengelegten Bett des Flusses Turia. Zeit für den Vater und Manager des deutschen Nationalspielers, den Rest der Familie vorzustellen – die Mustafis sind gerade zu Besuch bei ihrem erfolgreichen Sohn. Dann kommt er aber auch, der Weltmeister. Ein schneller Gruß, ein fester Händedruck, in perfektem Spanisch noch einen Cortado bestellt, und los geht‘s. Schließlich sind es spannende und bewegte Zeiten gerade für den prominenten Neuzugang des FC Valencia, ein Termin jagt den nächsten.***

Im Interview mit athletic-brandao.de erklärt der Innenverteidiger, warum er sogar froh ist über seinen holprigen Einstand bei den Blanquinegros, den Weiß-Schwarzen; was es bedeutet, im traditionsreichen Stadion „La Mestalla“ einen Treffer zu erzielen und warum seine neue Heimat zum jetzigen Zeitpunkt besser für ihn ist als ein Engagement in der Bundesliga.

athletic-brandao.de: Herr Mustafi, wie ist Ihr Start in Valencia gelaufen?
Shkodran Mustafi: Am Anfang hatte ich noch mit meiner WM-Verletzung zu kämpfen…

…dem Muskelbündelriss aus dem Achtelfinale gegen Algerien…
…und bei einem Vereinswechsel muss man auch erst Vertrauen zu den neuen Ärzten entwickeln. Das war nicht ganz einfach und hat sich in die Länge gezogen. Aber wir haben es super in den Griff bekommen und jetzt bin ich nun sogar froh über die Verzögerung.

Dass Spieler darüber froh sind, ist eher selten.
Ja, aber in dem Fall war es wirklich schlauer, weil ich in den Spielen beschwerdefrei bin. Bei muskulären Problemen kommt es öfter vor, dass die Schmerzen weg sind, bevor der Muskel komplett verheilt ist. Die Gefahr ist groß, zu früh wieder einzusteigen. Von daher bin ich sehr dankbar, dass der Verein mich nicht zu früh ins kalte Wasser geworfen hat.

Wie sind Sie bei Ihrem Klub aufgenommen worden?
Super. Man merkt schon, wie glücklich hier alle sind, einen echten Weltmeister in ihren Reihen zu wissen. Die Leute in Valencia haben mir den Einstieg sehr leicht gemacht.

Gegen Elche haben Sie ihren ersten Treffer in der Liga erzielt. Beschreiben Sie doch mal das Gefühl.
Meine Aufgabe ist, Tore zu verhindern. Aber wenn ich die Chance habe, bei Standards mit nach vorne zu gehen und der Mannschaft zu helfen, ist das natürlich großartig. Zuhause zu treffen, ist noch schöner…

…wegen der Euphorie im traditionsreichen Stadion „La Mestalla“?
Das kann man so sagen. Die Stimmung ist einfach super. Wir haben bislang alle fünf Heimspiele gewonnen. Wahnsinn, wie fußballverrückt alle hier sind.

Im klubeigenen TV haben Sie forsch angekündigt, noch einige Treffer erzielen zu wollen in dieser Saison. Haben Sie sich eine Marke gesetzt?
Nein, keine feste Zahl. Letzte Saison bei Sampdoria Genua habe ich ein Tor gemacht. Hier ist auf jeden Fall noch mehr drin für mich. 

Das haben Sie nun bei Villarreal mit zwei Treffern in nur zehn Minuten eindrucksvoll untermauert. Wissen Sie noch, wann Sie zuletzt einen Doppelpack erzielt haben?
Ich glaube, das ist ein paar Jährchen her. Das war in der U17-Nationalmannschaft gegen Luxemburg.

Wie sehr haben Sie sich über die beiden Treffer gefreut und wie wichtig sind diese für ihr Standing in Ihrem neuen Klub?

Natürlich hinterlässt das einen super Eindruck. Aber es ist wichtiger, dass meine Defensivarbeit stimmt, schließlich bin ich dafür verpflichtet worden. Wenn ich dann noch der Mannschaft mit ein paar Treffern helfen kann, ist das natürlich umso besser!

Wie viel Stürmer steckt noch in Ihnen. Sie haben ihre Karriere im Angriff begonnen?
(lacht) Kein bisschen, ich will die Stürmer jetzt nur noch ärgern. Aber im Ernst: Ich bin ja schon vor langer Zeit umgeschult worden und die Abwehr ist mein Zuhause.

Stimmt der Eindruck, dass in Valencia gerade einiges in Bewegung ist?
Im Prinzip schon. Es hat ein Umbruch stattgefunden. Die Mannschaft hat sich in der vergangenen Saison nicht für Europa qualifiziert. Für einen Verein wie Valencia ist das nicht akzeptabel. Der Anspruch ist einfach, jedes Jahr international mitzuspielen. Daher haben die Verantwortlichen gesagt: Jetzt muss gehandelt werden.

Wie äußert sich das?
Ich bin erst ein paar Monate her, aber so viel kann ich schon sagen: Der Präsident, der Trainer, der Sportdirektor, der neue Besitzer: Das sind alles seriöse Leute, die genau wissen, was sie wollen. Welches Spielsystem, welche Spielertypen. Die Ziele sind klar umrissen. Auch mir haben sie genau die Perspektive aufgezeigt. Mein lieber Mann, das war beeindruckend! Nicht auf allen Stationen meiner Karriere durfte ich das so erleben.

So einfach ist das: Ein klares, gemeinsames Ziel, und alle ziehen mit?
Absolut. Ich muss die Mannschaft genauso loben. Wir haben einen sehr jungen Kader mit viel Qualität, aber vor allem haben die Spieler verstanden, dass wir in jedem Spiel hundert Prozent geben müssen, um Punkte mitzunehmen. Mit achtzig Prozent durchkommen – das klappt in dieser Liga nur bei Real Madrid oder beim FC Barcelona.

Gerade in der Abwehr läuft es schon erstaunlich gut, trotz der Umwälzungen. Eine komplette Viererkette hat der Klub vor der Saison verkauft…
Obwohl wir nicht viel Zeit hatten, sind wir schon eingespielt und harmonieren gut. Der Trainer weiß einfach, was er von seinen Spielern verlangen kann.

In Deutschland ist er ein unbeschriebenes Blatt. Was ist das für ein Typ, ihr Trainer Nuno?
Er sagt, was er denkt und er weiß, was er will. Oft ist es nicht einfach für einen Trainer, Entscheidungen zu treffen. Bei ihm ist das anders, der Mann hat Charakter. Zum Beispiel hat er mich gebracht, obwohl es zu Saisonbeginn auch ohne mich gut lief und vordergründig keine Notwendigkeit für einen Wechsel bestand. Auch im Erfolg braucht es Mut für Änderungen.

Warum fiel Ihre Wahl eigentlich auf Spanien?
Für mich stand nie im Vordergrund, in ein bestimmtes Land zu wechseln. Wir haben von allen Angeboten das beste ausgewählt: Valencia. Der Klub hatte das größte Interesse. Die haben nicht nur einmal bei mir angerufen, sondern gleich zehn Mal. Die wollten mich unbedingt. Und nicht nur, weil ich gerade Weltmeister geworden bin. Sie haben mich schon länger beobachtetet und sehr deutlich gemacht, dass sie was mit mir vorhaben. Das war ein schönes Gefühl. Für mich war klar: Es ist Zeit für den nächsten Schritt.

Was ist der nächste Schritt für eine Spieler, der gerade Weltmeister geworden ist?
Es ging mir nicht darum, den Sprung in die absolute Elite zu schaffen. Für mich ist es viel wichtiger, dass ich hier wachsen kann. Valencia hat eine junge Mannschaft und ich bin mit meinen 22 Jahren trotzdem einer der Ältesten! Das heißt, ich muss von hinten dirigieren und das Team mit führen. Das hilft mir, meine Persönlichkeit zu entwickeln. Für mich ist das perfekt.

Gab es auch Angebote aus der Bundesliga?
Klar. Aus Deutschland, auch aus Italien. Aber so intensiv wie Valencia hat mich kein anderer Klub umworben.

Ihre Karriere verläuft ungewöhnlich. Mit 17 Jahren sind Sie ins Ausland gegangen, zum FC Everton. Und seitdem nie zurückgekehrt nach Deutschland. Ist das empfehlenswert, oder sagen Sie: Ich hab‘s eher trotzdem geschafft und nicht deswegen?
Ich kann nur die eine Empfehlung geben: Jeder sollte von seiner Entscheidung überzeugt sein. Das motiviert und gibt Kraft, auch in schlechten Zeiten. Natürlich habe ich mal überlegt, es in der Bundesliga zu probieren. Das liegt ja nahe. Ich bin in Deutschland geboren und aufgewachsen, das ist meine Heimat. Aber hier wusste ich einfach: Ich mach diesen Schritt und der sitzt dann auch.

Hört sich sehr stringent an…
…aber einfach war es nicht immer. Nach England bin ich mit hohen Erwartungen gegangen. Obwohl ich sehr jung war, wollte ich es trotz aller Hindernisse in die erste Mannschaft schaffen. Als es dort nicht weiterging, habe ich die Konsequenzen gezogen: Lieber mal zwei Schritte zurück und in die zweite Liga nach Italien – aber dafür wieder mit voller Überzeugung. So lief es bei mir immer, und ich habe es bislang nicht bereut.

Thema Nationalelf: Rechnen Sie sich für den nächsten Länderspiel-Doppelpack gegen Gibraltar und Spanien Einsatz-Chancen aus?
Ich bin ganz schlecht im Rechnen und daher rechne ich mir lieber auch nichts aus (lacht). Wenn ich eingeladen werde, bin ich froh. Und wenn ich spiele, freut es mich noch mehr.

Wird das Spiel gegen Spanien in Vigo noch einmal etwas Besonderes für Sie sein?
Klar, gegen das Land zu spielen, in dem man lebt und arbeitet, ist immer was Besonderes. Alle Spanier schauen genau hin. Aber letztlich ist es auch nur ein Spiel mit 90 Minuten, in denen ich versuchen werde, möglichst wenig falsch und möglichst viel richtig zu machen.

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Shkodran Mustafi, 22, ist im nordhessischen Bebra aufgewachsen und hat dort auch das Fußballspielen gelernt. Schon mit 14 wechselte der gelernte Stürmer ins Internat des Hamburger SV, der ihn zum Verteidiger umschulte. Mit 17 Jahren wagte er den Sprung auf die britische Insel zum FC Everton, wo er sich aber nicht durchsetzen konnte. Der nächste Schritt des Hessen mit albanischen Wurzeln saß besser: Mit Sampdoria Genua gelang ihm der Aufstieg in die Serie A. Durch überzeugende Leistungen in Italien wurde er interessant für die deutsche Nationalmannschaft. Als Nachrücker für den verletzten Marco Reus rückte er in letzter Minute in den WM-Kader und absolvierte bis zu seiner Verletzung im Achtelfinale gegen Algerien drei Partien für den späteren Weltmeister.

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***Das Interview fand vier Tage vor dem Spiel des FC Valencia bei Villarreal statt. Die beiden Fragen zum Doppelpack hat Shkodran Mustafi freundlicherweise noch nachträglich beantwortet.

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