Willkommen im Abstiegskampf: Nichts geht mehr beim taumelnden BVB

Nach der Heimpleite gegen Hannover verabschiedet sich Borussia Dortmund vom wichtigsten Saisonziel. Als wenn der sportliche Absturz nicht schlimm genug wäre, gibt es inzwischen auch untereinander Kritik.

Im Prinzip hätte Schiedsrichter Tobias Stieler die Partie im früheren Westfalenstadion aus der Sicht von Borussia Dortmund schon nach 41 Minuten beenden können. Wegen Abseits war das Spiel da unterbrochen und alle Akteure hatten ihr Bemühen um den Ball eingestellt – außer Marco Reus. Doch selbst ohne Gegenwehr scheiterte der BVB-Star mit dem Versuch, wenigstens fürs Selbstvertrauen mal die Kugel ins Tor von Hannover 96 zu bugsieren.

Da war es am Ende keine Überraschung, dass sich der in der Abwehr anfällige Vizemeister sogar noch den traditionellen Gegentreffer fing und erneut als Verlierer vom Platz ging. Nach dieser 0:1-Heimpleite blieb dem BVB nichts anderes übrig, als sich vom Saisonziel direkte Qualifikation für die Champions League zu verabschieden.

Reus frustriert: “Wir stecken tief unten drin”
„Was wir uns vorgenommen haben, ist wohl nicht mehr realisierbar“, sagte Kapitän Mats Hummels nach der vierten Niederlage in Folge enttäuscht. Auch Sportdirektor Michael Zorc äußerte, das sei „nicht mehr realistisch”. Dabei sollte drei Tage nach der nächsten Königsklassen-Gala in Istanbul nun endlich die Trendwende auch in der Bundesliga her. Alles hatten die Dortmunder versucht, sogar eine Sondererlaubnis der DFL wurde eingeholt, um in den Glückstrikots der Champions League zu spielen. Doch es nützte nichts. Viel mehr erweiterten die Dortmunder lediglich die Facetten ihres Scheiterns. Nachdem es zuletzt gegen Köln an spielerischer Klasse und offensiven Ideen gefehlt hatte, verzweifelten die Borussen nun an fehlender Effizienz.

Stolze 17:7 lautete zum Schluss die Gesamtbilanz bei Torschüssen, bei der Eckenstatistik lag der BVB mit 14:1 noch klarer vorne. Sechs Großchancen erarbeitete sich der Gastgeber, um die Trendwende zu erzwingen. Doch nach dem direkt verwandelten Freistoß durch Hiroshi Kiyotake in der 61. Minute stehen die Westfalen bereits zum sechsten Mal in Folge ohne Sieg da. Mit lediglich sieben Zählern nach neun Spieltagen auf dem Konto haben die Dortmunder den drittschlechtesten Saisonstart der Klubgeschichte hingelegt. Die Gefahrenzone ist nur noch einen Zähler entfernt. „Die Spiele werden weniger und wir stecken tief unten drin“, sagte ein frustrierte Reus nach dem erneuten Rückschlag.

Durch die Blume: Hummels kritisiert Weidenfeller
Der Nationalspieler hätte Dortmund im Alleingang aus der Krise schießen können, vielleicht sogar müssen. Gleich drei Mal vergab er aus richtig guter Position die Möglichkeit, die zitternden Nerven der Schwarz-Gelben zu beruhigen (20., 47., 55.). Auch Antreiber Henrich Mchitarjan bot sich mit einem schönen Drehschuss (12.) eine Gelegenheit. Zudem hatte Hannovers Abräumer Ceyhun Gülselam bei einem Beinahe-Eigentor nach einer scharfen Flanke von Lukasz Piszczek viel Glück. Die allerbeste Chance entschärfte 96-Keeper Ron-Robert Zieler, der einen sehenswerten Kopfball von Mats Hummels an die Latte lenkte (18.). „Wir hatten mehrere hundertprozentige Möglichkeiten, aber waren nicht konsequent genug“, zeterte Trainer Jürgen Klopp und wirkte erneut ziemlich ratlos.

Es ist wie verhext für den BVB, der als Aufbaugegner für andere Krisenklubs fast schon Wettbewerbsverzerrung betreibt. Stuttgart und Hamburg kamen mit der Empfehlung von nur einem einzigen Saisontor und entführten insgesamt vier Punkte aus Westfalen. Köln hatte bis zum Heimsieg über Dortmund überhaupt noch nicht zuhause getroffen und freute sich dann gleich über zwei Tore. Und nun beendete Kiyotake die schwarze Serie von insgesamt 415 Minuten ohne Bundesliga-Treffer für die notorisch auswärtsschwachen Hannoveraner. Dabei sah sein Freistoß-Tor nicht nur für die unbeteiligten Beobachter haltbar aus. „Der Ball war lange in der Luft. Ich war überrascht, dass er im Tor gelandet ist“, schimpfte Abwehrchef Hummels und gab in völlig ungewohnter Weise den Schwarzen Peter an den eigenen Torwart weiter, an Roman Weidenfeller.

Das Restprogramm gibt Anlass zur Sorge
Gegenseitige Schuldzuweisungen sind vermutlich das Letzte, was der Borussia in der prekären Situation jetzt helfen wird. Ohnehin liegen die Nerven blank beim erfolgsverwöhnten und ambitionierten Vizemeister. Als einziges Erfolgserlebnis konnte er aus der Partie mitnehmen, dass Weidenfeller nach dem Rückstand gegen Kiyotake (65.), Joselu (66.) und den früheren Dortmunder Leonardo Bittencourt (79.) ein mögliches Debakel verhinderte.

Wie Dortmund aus der schlimmen Situation herauskommen will, ist völlig unklar. “So langsam wird es wirklich schwierig, Erklärungen zu finden”, sagte Kapitän Hummels schulterzuckend. BVB-Chef Hans-Joachim Watzke, Sportdirektor Zorc und auch Präsident Reinhard Rauball kamen direkt nach Spielschluss in die Kabine der Schwarz-Gelben, und es gehört nicht viel Fantasie dazu, sich eine spontane Krisensitzung zum Thema Abstiegskampf vorzustellen.

Die Lage jedenfalls ist bitterernst, wenn man sich das Restprogramm der Hinrunde ansieht. Dass es gegen Teams aus dem oberen Tabellendrittel wie Bayern, Mönchengladbach, Hoffenheim oder Wolfsburg einfacher werden könnte, weil diese Mannschaften ähnlich wie die jüngst bezwungenen Champions-League-Gegner selbst spielerisch überzeugen wollen – von diesem kleinen Hoffnungsschimmer hat sich BVB-Trainer Klopp längst verabschiedet: „Die wären ja schön doof, wenn sie das machen würden.“

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