Raumdeuter Mchitarjan dreht in Istanbul groß auf

Der Mittelfeldstar des BVB glänzt beim Sieg über Galatasaray als Antreiber und Vorbereiter. Selbst sein schon traditioneller Makel fällt nicht weiter ins Gewicht.

Am Ende hatten die BVB-Fans ihren gewohnten Henrich Mchitarjan wieder: Fast ein wenig krampfhaft versuchte der Armenier, sich selbst ein Erfolgserlebnis zu verschaffen. Kurz vor Schluss der Partie in der Türk Telekom Arena von Istanbul zog er nach Traumpass von Marco Reus unwiderstehlich auf den Kasten von Galatasaray zu, doch statt Keeper Fernando Muslera auszugucken, schoss er den Uruguayer kraftlos an.

Ein Torjäger wird wohl nicht mehr aus dem 25-Jährigen. Aber das war an diesem wundervollen Champions-League-Abend aus Sicht von Borussia Dortmund auch nicht mehr nötig. Denn zuvor hatte Mchitarjan einen seiner besten Auftritte in Schwarz-Gelb hingelegt und entscheidenden Anteil am spektakulären 4:0-Sieg beim türkischen Vizemeister.

Ideen gehen vom Armenier aus
Wie der Mittelfeldwirbler im ersten Durchgang das Spiel der Westfalen antrieb – das war große Kunst und nicht nur für die mitgereisten 2.800 BVB-Fans super anzusehen. Immer wieder entdeckte und deutete Mchitarjan Räume auf dem Rasen, um sich und vor allem seine Mitspieler perfekt in Szene zu setzten.

Schon nach sieben Minuten gelang Mchitarjan offensiv ein erstes Highlight, als er Reus aus dem Nichts den Weg zum Tor öffnete. Der Abschluss durch Pierre-Emerick Aubameyang war da fast nur noch Formsache. Auch beim zweiten Dortmunder Treffer ging die Ursprungs-Idee von Mchitarjan aus, der dieses Mal Lukasz Piszczek optimal auf die Reise schickte. Wieder war es Aubameyang, der schließlich gekonnt abschloss (18.).

Unwiderstehlicher Antritt nach vorne
Doch auch defensiv ackerte er viel. “Shinji Kagawa, Marco Reus und Henrich Mchitarjan haben sich da aufgerieben”, lobte Trainer Jürgen Klopp sein Mittelfelddreieck nach dem Spiel. “Wir haben super konzentriert verteidigt.”

Die gestalterischen Ideen waren es, die der Borussia zuletzt in der Bundesliga gefehlt hatten. Geschickt nutzte Mchitarjan in Istanbul den Platz, den ihm die Türken im Schaltzentrum und in der eigenen Defensive ließen. Das war perfekt für den technisch Hochbegabten. Erst mit etwas Raum vor sich kann der Armenier seine volle Stärke entwickeln: die Teamkollegen einsetzen oder selbst zu unwiderstehlichen Sturmläufen ansetzen.

So wie in der 38. Minute, als er förmlich durchs Mittelfeld schnitt und erst in letzter Sekunde gestoppt werden konnte. Kurz zuvor hätte er fast auch noch einen richtigen Assist erarbeitet, doch dieses eine Mal scheiterte Aushilfsstürmer Aubameyang am Pfosten.

Mehr Gala, weniger Real
Genau wegen dieser Fähigkeiten hatte der BVB Mchitarjan vor gut anderthalb Jahren als Götze-Nachfolger nach Westfalen geholt und die vereinseigene Rekordablöse von etwa 27,5 Millionen Euro an Schachtar Donezk bezahlt. Bislang wartet Dortmunds Nummer 10 aber auf den Durchbruch in Schwarz-Gelb. Immer mal wieder gelingen ihm einige Höhepunkte, doch genauso regelmäßig trifft er in der Hitze des Gefechts die falschen Entscheidungen: gibt selbstlos ab, wenn er schießen sollte; spielt eigensinnig, wenn der Nebenmann sträflich frei ist.

Oder er fällt durch unglückliche Aktionen auf, so wie in der vergangenen Saison im Viertelfinale der Königsklasse: Da hatte er frei vorm Tor den dritten Treffer gegen Real Madrid auf dem Fuß und hätte zum Helden werden können. Nur knapp fiel damals das Wunder gegen den späteren Champions-League-Sieger aus, der das Hinspiel mit 3:0 gewonnen hatte. Die Leistung bei Galatasaray offenbarte nun mal wieder, was Mchitarjan wirklich drauf hat. Er muss es nur viel öfter zeigen.

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