Der BVB zeigt in der Champions League die richtige Reaktion auf die Krisensymptome aus der Bundesliga. Beim deutlichen Auswärtssieg über den RSC Anderlecht kann sich Borussia Dortmund auf seinen japanischen Wirbelwind verlassen.
Als die Frage nach der Einschätzung seines Spielmachers kam, verzog Jürgen Klopp auf dem Podium etwas ungläubig das Gesicht. “Shinji? Er hat eine große Partie gemacht. Er ist total wichtig für uns”, sagte der BVB-Trainer nach dem 3:0-Sieg beim RSC Anderlecht, als hätte niemals der leiseste Zweifel an Kagawas Form bestanden. Dabei hatte selbst der Coach dem Japaner zuletzt nicht so recht zugetraut, die Offensivmaschine von Borussia Dortmund auf Touren zu bringen.
Auf Schalke jedenfalls hatte er ihn lange auf der Bank schmoren lassen. Beim zweiten Auftritt in der Champions League bügelte Klopp diese Fehleinschätzung wieder aus und legte die Spielgestaltung vertrauensvoll in Kagawas Hände. Eine gute Entscheidung.
„Shinjis Vorarbeit war sensationell“
Denn Kagawa zeigte im kompakten Constant-Vanden-Stock-Stadion vor den Toren Brüssels seine wohl beste Leistung im BVB-Dress seit seiner gefeierten Rückkehr zu den Westfalen. Die Tore in Belgien schossen zwar andere, aber es war der kleine Mittelfeldwirbler, der die Schwarz-Gelben zum zweiten Sieg im zweiten Spiel der Königsklasse führte.
Von Beginn an war zu spüren, dass Dortmunds Publikumsliebling sich etwas vorgenommen hatte an diesem Abend, denn der 25-Jährige legte los wie die Feuerwehr. Wie aufgezogen stürzte er sich auf die gegnerische Abwehr, um dieser schon beim Spielaufbau die Luft zum Atmen zu nehmen. Schon in der vierten Minute mit durchschlagendem Erfolg: Nach erfolgreichem Gegenpressing zauberte Kagawa mit einem fantastischen Lupfer auf Immobile den Führungstreffer herbei. “Shinjis Vorarbeit vorm 1:0 war sensationell”, lobte Klopp. Für den kriselnden BVB war das der erhoffte Traumstart, um nach den Rückschlägen in der Liga rasch wieder zu kreativem Denken auf dem Feld zu ermutigen.
Alle Treffer aus der japanischen Ideenwerkstatt
Genau das hatte der Borussia zuletzt so sehr gefehlt, neben der Sicherheit in der Abwehr. Beim Remis gegen Stuttgart konnte der BVB nur mit einem Kraftakt ein Remis retten, bei der schmerzhaften Derbypleite auf Schalke lief der Vizemeister völlig uninspiriert den frühen, selbst verschuldeten Gegentoren hinterher. In Anderlecht dagegen arbeitete sich das Klopp-Team gleich mehrere hochkarätige Chancen heraus – stets angetrieben von Kagawa. Eigentlich hätte der Spitzenreiter der Gruppe D schon vor den Jokertoren durch Adrian Ramos in der zweiten Halbzeit (69./79.) alles klar machen müssen. Nur ein kapitaler Fehlschuss von Pierre-Emerick Aubameyang (10.) verhinderte die frühzeitige Entscheidung gegen die eifrigen und mutigen, aber insgesamt doch überforderten Gastgeber.
Im zweiten Durchgang ließ Kagawa ein wenig nach und nahm sich auch ein paar kleinere Auszeiten. Dennoch war er immer anspielbar, blieb dadurch für den Spitzenreiter der belgischen Jupiler League schwer auszurechnen und hielt so auch viel Druck von der BVB-Defensive weg, die in der gesamten Partie nur zwei Mal wirklich Probleme bekam. Beinahe zwangsläufig erzielten die Westfalen noch die Treffer zwei und drei – bei beiden stammte der ursprüngliche, einleitende Pass aus der japanischen Ideenwerkstadt.
Neunzig Minuten gegen die Zweifel
Dass Kagawa beide Treffer und sogar den Schlusspfiff auf dem Platz erlebte, ist die nächste gute Nachricht für den BVB, der bekanntlich in der Kreativzentrale von einem irren Verletzungspech gebeutelt ist. Denn bislang hatte der bei Manchester United zur Teilzeitkraft abgestiegene Mittelfeldspieler nie die Luft für komplette neunzig Minuten. Bei seinem Comeback gegen Freiburg war er nach einer Stunde sogar mit Krämpfen ausgewechselt worden. Kagawa scheint also wieder ein kleines Stück näher an der Form der Meisterjahre. Auch letzte Zweifel seines Chefs über die Wettkampftauglichkeit des Spielmachers dürften wohl beseitigt worden sein, aber die würde Klopp ja sowieso nie öffentlich zugeben.