Zum ersten Mal zünden Immobile und Aubameyang im Doppelpack. Das Sturmduo bildet gegen Arsenal den „Schlüssel zum Sieg“ – und nicht nur wegen seiner beiden Treffer.
Oft braucht es keine großen Worte, um Fußball zu definieren oder damit erfolgreich zu sein. „Mit Ciro kann ich nicht sprechen. Außer ‘Avanti’“, antwortete BVB-Trainer Jürgen Klopp nach dem Traumstart in der Champions League gewohnt lässig auf die Frage, wie er denn mit seinem neuen italienischen Stürmer Immobile kommuniziere.
Avanti – vorwärts, das ist nun einmal seit einigen Jahren die Lieblingsrichtung für Borussia Dortmund. Beim 2:0-Sieg über den FC Arsenal hat der 24-Jährige nun nicht nur als Torschütze bewiesen, dass er diesen Arbeitsauftrag verstanden hat, der doch eigentlich so simpel ist und gleichzeitig doch so tiefgründig.
Vom Länderspieleinsatz befreit zurückgekommen
„Es war der Schlüssel zum Spiel“, analysierte Klopp nach dem hoch verdienten Erfolg zum Auftakt der Königsklasse und meinte weniger Immobiles tollen Treffer, sondern viel mehr dessen Spiel gegen den Ball: das Jagen der gegnerischen Aufbauspieler. Beim Lob schloss Klopp Pierre-Emerick Aubameyang ausdrücklich mit ein, den Sturmpartner des Neuen und zweiten Torschützen des Abends im früheren Westfalenstadion. „Wie die beiden gearbeitet haben, das war großartig.“ An diesem Avanti hängt beim BVB traditionell viel mehr als nur klassisches Rumlungern an Schnittstellen und in Strafräumen. Weil im Idealfall eben alles vorwärts gerichtet ist im System von Pressing und Gegenpressing, den Grundbausteinen des Dortmunder Erlebnisfußballs.
Ansätze davon waren bei Immobile schon vor dem London-Spiel zu sehen, aber nicht viel mehr. Die Zweifel überwogen und wurden zuletzt sogar stärker. „Ich muss mich erst an den BVB-Fußball gewöhnen“, entschuldigte sich der Torschützenkönig der vergangenen Saison in der italienischen Serie A, der nun gegen die Gunners sein mit Abstand bestes Spiel im BVB-Dress zeigte. Schon vor dem Tor hatte er klasse Aktionen, mit eigenen Abschlüssen, aber auch schönen Ideen und gelungenen Pässen für die Mitspieler. Nachdem der 19-Millionen-Mann zuletzt in der Hierarchie hinter Adrian Ramos zurückgefallen war und in der Liga nur die Bank gedrückt hatte, könnte für ihn in diese Partie der Knoten geplatzt sein. Schon im jüngsten Länderspieleinsatz hatte sich der Italiener ein Erfolgserlebnis geholt und war nach Klopps Eindruck „befreit zurückgekommen“.
Falls es Immobile vorher wirklich an Selbstvertrauen gefehlt haben sollte – sein Tor gegen Arsenal dürfte da helfen. Allein dieser eine Spurt über mehr als den halben Platz, die Abwehrspieler Laurent Koscielny und Kieran Gibbs dabei ständig im Schlepptau, war atemberaubend. Dass er dann noch die Verve hatte, die beiden mit einem Trickschuss gegen das eigene Bein abzuschütteln und Arsenals Keeper Wojciech Szczesny cool zu überwinden, war an diesem Königsklassen-Abend eine Wiederholung in der Dauerschleife von Sky wert. „Das war eindeutig gewollt. So hat er die beiden Verteidiger in die falsche Richtung geschickt“, erklärte Klopp nach Studium der Fernsehbilder selbst ein wenig erstaunt. Denn in Echtzeit war zwischen Absicht und Zufall dieser Aktion nicht zu unterscheiden.
Warnung vor Rückpässen
Einen mindestens ebenso guten Eindruck hinterließ Sturmpartner Aubameyang, der sich dank einer Topvorbereitung gerade zur eigentlichen Konstante im Offensiv-Spiel des BVB mausert. Egal in welcher Position, ob auf dem rechten Flügel oder als zweite Spitze. Im sechsten Pflichtspiel der Saison hat der schrille Angreifer nun schon seinen fünften Treffer erzielt. Der Gabuner ist eine echte Rakete, anders kann man das nicht mehr ausdrücken. „Gegen ihn im Training zu laufen, macht einfach keinen Spaß“, erklärte Teamkollege Nuri Sahin im TV dessen Sprinterqualitäten.
Schon in der letzten Saison war es in Dortmund Usus, dass die Zuschauer staunend aus dem Sattel gingen, wenn Aubameyang zum Spurt ansetzte. In dieser Saison sogar noch viel mehr. Gegnerische Abwehrspieler sind inzwischen quasi dazu gezwungen, Rückpässe zum Keeper so scharf zu spielen wie einen Offensivball. Die Gefahr ist sonst einfach zu groß, dass Dortmunds Laufwunder dazwischen fegt. So wie in der Bundesliga in Augsburg, oder wie in der 72. Minute gegen Arsenal, als Szczesny von Glück sagen konnte, dass der folgende Pressschlag nur im Toraus landete.
Auch Aubameyang hatte schon zuvor große Szenen. Nach einer halben Stunde schoss er noch etwas fahrlässig nach der tollen Vorarbeit von Sven Bender und Kevin Großkreutz Londons Keeper an. Nach gut einer halben Stunde donnerte er den Ball ans Außennetz. Aber auch nur, weil Kehls Pass einen Tick zu sehr in den Rücken kam. Und in der 57. Minute, nach einem dieser unnachahmlichen Blitzkonter, die längst zu seinem Markenzeichen geworden sind, strich der Ball über die Latte.
Lewandowskis Abgang wird langsam verarbeitet
Wie weit sich diese Leistung in nächster Zeit stabilisiert und ob der Angriff Immobile/Aubameyang ein Traumduo sein wird, ist nicht sicher. Vor Rückschlägen ist auch der BVB nicht gefeit. Aber Hoffnung macht dieser Auftritt schon, dass die Dortmunder den Abgang von Weltklassestürmer Robert Lewandowski zum Rivalen FC Bayern bald kompensieren können, in dem sie die Aufgaben auf mehrere Schultern verteilen. In Ramos steht zudem noch ein weiterer Klasse-Akteur bereit, der helfen kann. Den Fans und Verantwortlichen dürfte es jedenfalls gefallen haben, was ihr Raketenduo gegen den Königsklassen-Dauergast aus Nordlondon auf den Rasen gezaubert hat. Vielleicht studieren sie ja bis zum zweiten Champions-League-Spiel in Anderlecht einen weiteren italienischen Spruch ein: Da capo – noch einmal. Von vorne.