Der Münchner hat sich den Aufstieg zum Chef der deutschen Nationalmannschaft wahrlich verdient. Doch seine Wahl sendet das falsche Zeichen.
Dieses Bild gehört längst zur Ikonographie des deutschen Fußballs: Bastian Schweinsteiger auf dem Rasen in Rio de Janeiro, mit Blut im Gesicht, nicht bereit, den Traum vom WM-Titel aufzugeben. Ein Antreiber, wie ihn sich jede Mannschaft wünscht. Nun rückt der Münchner nach Philipp Lahms Rücktritt zum Kapitän der DFB-Elf auf und natürlich hat es sich der Mittelfeldmotor verdient, in einer Reihe zu stehen mit Größen wie Franz Beckenbauer, Lothar Matthäus oder Lahm. Dennoch hat Joachim Löw hier die falsche Wahl getroffen. Der Bundestrainer macht es sich zu einfach, er sendet das falsche Zeichen.
Schweinsteiger ist ein großer Fußballer und sicher ein toller Kapitän. Er hat die starke Bayern-Hausmacht in der Nationalelf hinter sich, wirkt als Integrator, ist meinungsstark und genießt das volle Vertrauen des Bundestrainers. Aber in wie vielen Länderspielen wird er tatsächlich mit diesem Pfund wuchern können? In den vergangenen zwei Jahren hat der Münchner ziemlich viele Tests aufgrund von Blessuren verpasst, und auch das eine oder andere Pflichtspiel – insgesamt musste er dem DFB stolze 14 Mal absagen in den vergangenen vier Jahren. Zur WM in Brasilien hat er es so gerade eben geschafft, mit seinem Körper, der langsam aber sicher Tribut zollt für ein intensives Fußballerleben am Anschlag.
Warum nicht mutiger?
Bei der WM-Revanche gegen Argentinien und beim ersten EM-Qualifikationsspiel gegen Schottland fehlt Schweinsteiger auch schon wieder, weil die Patellasehne im linken Knie Ärger macht. Ob “Lahms legitimer Nachfolger”, so Löw, zum Länderspiel-Doppelpack im Oktober zur Verfügung stehen wird, ist noch fraglich. Ohne dem Bayern-Star zu nahe treten zu wollen: Er droht ein Fernseh-Kapitän zu werden. Einer, der von außen über Dinge sprechen muss, die sich auf dem Rasen abspielen.
Für die Nationalmannschaft ist Schweinsteigers Beförderung zum Kapitän die naheliegende Lösung, eine hochverdiente Auszeichnung überdies. Aber sie ist rückwärtsgewandt oder zumindest eingeschränkt in ihrer Reichweite. Löw selbst begrenzt die Amtszeit seines verlängerten Arms auf dem Rasen schon jetzt auf zwei Jahre bis zur EM 2016. “Bei Spielern, die über 30 Jahre alt sind, sollte man nicht weiter planen”, sagte der Bundestrainer bei Schweinsteigers offizieller Inthronisation auf der DFB-Pressekonferenz in Düsseldorf. Löw selbst scheint dem Braten nicht zu trauen! Warum findet er dann nicht den Mut, den Blick in die Zukunft zu richten, über das Datum 2016 hinaus?
Die Zukunft gehört einem anderen
Beim ersten Länderspiel-Doppler der neuen Saison wird Schweinsteigers Münchner Teamkollege Manuel Neuer die Binde tragen. In vielen weiteren Partien auf dem Weg zur Europameisterschaft vermutlich auch, da die Kontinuität auf der Position des Keepers schlicht größer ist. Neuer ist zwar nur zwei Jahre jünger, aber noch weit vom besten Torwartalter entfernt. Er wird der Nationalelf wohl noch viele, viele Jahre erhalten bleiben, weiß ebenfalls den einflussreichen Bayern-Block hinter sich und ist genauso wenig auf den Mund gefallen. Da muss die Frage erlaubt sein: Warum macht der Bundestrainer den Keeper des FC Bayern nicht gleich zum Kapitän?