Bei der WM kehrt gerade etwas Ruhe ein. Zeit zum Durchatmen. Zeit, um auch mal abseits der Stadien nach dem Rechten zu schauen. Unser Weg führt uns ins zentrale Anti-Dopinglabor der Fußball-WM nach Bloemfontein. Nur drei Kilometer vom Free State Stadium entfernt, in dem die deutsche Mannschaft gerade den Erzivalen England entzaubert hat, jagt Pieter van der Merwe mit seinem achtköpfigen Team mögliche Sünder dieser WM. Beauftragt und finanziert von der FIFA.
Auf der Suche nach der verbotenen Substanz
Alle A- und B-Proben dieses Turniers landen auf seinem Schreibtisch. Per Kurier werden die versiegelten Urin-Fläschchen unmittelbar nach den Spielen durchs Land kutschiert. „Am nächsten morgen um 7 Uhr liegen uns die Proben vor“, sagt van der Merwe. „Zwischen Eingang und unserem Bericht an die FIFA vergehen keine 24 Stunden.“ Seine Mitarbeiter müssen in Rekordzeit die Liste der verbotenen Substanzen abarbeiten, die von der Welt-Antidoping-Agentur Wada aufgestellt wurde. Weit über hundert Substanzen sind das, auf jede einzelne muss untersucht werden. Die Maschinen, welche die Hauptarbeit übernehmen, hat sein Team Majestix, Sterix oder Jimmerfix genannt – frei nach den Comicfiguren aus Asterix und Obelix – die sich mit Zaubertrank gegen die Römer behaupten.
Zwei Labors für ganz Afrika
Seit über dreißig Jahren wird in Südafrika gegen Doping gekämpft. Schon das Apartheid-Regime erkannte das Problem frühzeitig und gründete Mitte der Achtziger Jahre das Institut an der Universität Free State im Herzen des Landes. Damals waren die Wissenschaftler wegen der politischen Lage Südafrikas isoliert, heute bestehe enger Kontakt zur weltweiten Antidoping-Forschung. „Wir kennen die Kollegen, zum Beispiel aus Köln. Einmal im Jahr gibt es eine große Konferenz. Wir tauschen uns ständig aus. Es gibt ja E-Mail und Computer“, so van der Merwe. In Afrika ist seine Arbeit fast einmalig. Das einzige andere Antidoping-Labor des Kontinents steht neun Flugstunden entfernt in Tunesien.
Anonymer Kampf gegen die Betrüger
Ob schon ein Spieler erwischt wurde, so wie Argentiniens heutiger Trainer Diego Maradona bei der WM 1994 in den USA, mag der Institutsleiter nicht sagen. „Da müssen sie die FIFA fragen.“ Selbst an den letzten Sportler, den sein Team im vergangenen Jahr enttarnt hat, kann sich der gelernte Chemiker nicht namentlich erinnern. „Das war ein britischer Athlet, der in Südafrika trainierte. Auf unseren Proben stehen nur Nummern drauf. Wen es trifft, erfahren wir erst im Nachhinein.“ Im Gegensatz zu einigen anderen Sportarten werden die B-Proben der Fußball-WM auch nicht einige Jahre aufgehoben, um später auf heute noch unbekannte Betrugspraktiken untersucht zu werden. So weit gehe der Auftrag der FIFA nicht, sagt der Wissenschaftler.
“Doping ist gar nicht so leicht”
Der 60-Jährige wirkt nicht wie die bekanntesten deutschen Dopingjäger. Ganz und gar nicht. Dem Südafrikaner, früher selbst Rugbyspieler und Leichtathlet, fehlt der missionarische Eifer eines Werner Franke und der gesellschaftskritische Blick eines Wilhelm Schänzer. „Ich würde nicht sagen, dass Doping unmöglich ist. Aber es ist auch gar nicht so leicht“, sagt er. „Der Sport ist fast sauber. Nur ein bis zwei Prozent der international genommenen Proben sind positiv.“ Dass im Multimillionen-Geschäft Sport die andere Seite die Nase längst vorne haben könnte, kommt dem höflichen und zuvorkommenden van der Merwe nicht in den Sinn. Er ist durch und durch Wissenschaftler, er glaubt an Zahlen, an seine akribische Arbeit und ganz offenbar auch an das Gute im Menschen.
Bloemfontein/Südafrika, Dienstag, 29. Juni 2010 von Patrick