Borussia Dortmund kassiert gegen den FC Arsenal einen herben Rückschlag und schlittert vorzeitig in den K.-o.-Modus der Königsklasse.
Als der holländische Schiedsrichter Björn Kuipers den Gig der Dortmunder Borussia gegen den FC Arsenal nach 95 Minuten beendete, gab es diesen seltenen Moment im früheren Westfalenstadion, der fast ein bisschen Angst macht: Wo es gerade noch kochte, anfeuerte, wütend Elfmeter forderte, war plötzlich nur noch Totenstille. Alle Regler auf null. Für eine halbe Sekunde lediglich, aber trotzdem deutlich spürbar. Dann beendeten die Gäste-Groupies die akustische Geisterstunde und feierten den 1:0-Auswärtssieg wie irre. Der BVB dagegen schlich wie ein missverstander Artist vom Platz, denn dem stolzen Finalisten der Vorsaison droht nun das vorzeitige Aus bereits in der Vorrunde der Champions League.
„Das war heute kein Symphonie-Orchester, höchstens Light Metal“, sagte Londons Arsene Wenger nach der Partie über den cleveren, aber auch ziemlich glücklichen Auftritt seines Teams. Der Arsenal-Coach gab damit leicht süffisant eine Replik auf sein Gegenüber Jürgen Klopp: Vom Dortmunder Trainer war unter der Woche in etlichen englischen Zeitungen zu lesen, dass „seine Art Fußball“ im Gegensatz zu dem der feinen Londonern Künstlertruppe eher Schwermetall sei: hart, ehrlich und immer am Anschlag. Allein, angesichts der ersten Heimpleite in der Königsklasse nach sieben Siegen in Folge klang Klopps forsche Musik-Analogie im Nachhinein doch ein bisschen wie allzu vollmundige und vielleicht sogar kontraproduktive PR.
“Slow-Hand Wenger” hat das Rezept
Seine selbst ernannte Heavy-Metal-Band fühlte sich angesichts der jüngsten Publikumserfolge und des öffentlichen Eigenlobs womöglich zu sicher und zog unbewusst selbst den Stecker. „Es hat ein Stück die Bereitschaft gefehlt“, gab Frontmann Roman Weidenfeller kritisch zu Protokoll. Nach dem gefeierten 2:1-Sieg in London vor zwei Wochen gingen die Schwarz-Gelben das erneute Aufeinandertreffen mit dem Spitzenreiter der englischen Premier League jedenfalls etwas gemächlicher an. Durch die anfängliche völlige Harmlosigkeit des Gegners fühlten sie sich vermutlich in der Meinung bestätigt, das werde trotzdem gutgehen. Zumal auch beim BVB in der leiseren Unplugged-Version Chancen heraussprangen. „Wir haben super Momente kreiert. Ich kann nicht richtig unzufrieden sein mit der Mannschaft“, urteilte Klopp und wusste nicht so recht, wohin mit seinem Blues.
Zaudern und Zögern, das war dagegen Teil des Plans, den „Slow-Hand“ Wenger auf dem Weg nach Westfalen seinen Gunners mitgegeben hatte, die nun schon 15 Partien in Serie in der Fremde nicht verloren haben: „Unser Ballbesitz war etwas steril – ohne eigene Tormöglichkeiten. Aber wir wollten nicht den ersten Fehler machen.“ Der unterlief wie erhofft der Borussia, wenn auch erst nach über einer Stunde. Mats-Hummels-Ersatz Sokratis machte einen eigenen Gegenpressing-Erfolg prompt wieder zunichte und leitete so die Pleite ein. Letztlich war es Aaron Ramsey, der den Ball aus dem Nichts zum Siegtreffer über die Linie köpfte (62.). „Wir hatten eine richtig gute Phase nach der Pause – und dann macht es Plong“, ärgerte sich Klopp über die kühle Effizienz der Gäste. Immerhin bewahrten Torhüter Weidenfeller im erneuten Duell mit dem Waliser Ramsey und Nuri Sahin als Linienkratzer bei Olivier Girouds Distanzschuss den BVB vorm zweiten Gegentreffer. Damit retteten sie den direkten Vergleich zugunsten der Dortmunder. Der könnte in der Endabrechnung noch wichtig werden, falls beide Teams die gleiche Punktzahl haben.
Dem BVB fehlt zur Abwechslung mal das Hitpotenzial
Die wenigen lichten Momente der Londoner reichten, weil der BVB seinerseits nicht in der Lage war, das eigene Haus zu rocken. Defensiv standen die Schwarz-Gelben die meiste Zeit zwar sicher. Arsenals Regisseur Mesut Özil war lange komplett abgemeldet, erst bei Sven Bender in der Schaltzentrale und später auch weitgehend bei Marcel Schmelzer auf dem Flügel, der ihm allerdings gestattete, den entscheidenden Angriff einzuleiten. Auch Özils Supporting Act Tomas Rosicky gewährte der BVB nicht annähernd so viele gute Szenen wie noch im Hinspiel. Doch all das nützte nichts, denn Dortmunds Offensive hatte an diesem Abend einfach kein Hitpotenzial. Weder Sahin, noch Marco Reus oder Henrich Mchitarjan spielten ein tolles Riff und bekamen die Partie nie richtig in den Griff. Viele Aktionen blieben Stückwerk, weil viel zu unpräzise zu Ende gespielt. Und wenn es doch einmal klappte, wie bei Mchitarjans Riesenchance in der 36. Minute, vergab der BVB die Möglichkeit leichtfertig. Kurz nach der Pause ließen Reus und Jakub Blaszczykowski weitere Chancen liegen.
Nach dem Rückstand war aber auch damit Schluss. Obwohl noch mehr als eine halbe Stunde Zeit war, fiel dem sonst so kreativen Gastgeber nichts mehr ein, um das Schicksal noch zu wenden. Erst in der vierminütigen Zugabe wurde es noch einmal hektisch, als es Elfmeter hätte geben können: Londons Verteidiger Per Mertesacker ging rüde gegen Robert Lewandowski zu Werke. „In der dritten Minute der Nachspielzeit wollte der Schiedsrichter wohl nur noch einen ganz sicheren Strafstoß geben“, erklärte Klopp das Pech mit dem Unparteiischen und presste die Lippen zusammen, als wären ihm gleichzeitig alle Saiten einer E-Gitarre gerissen.
Tingeln über die Europa-League-Dörfer?
Und so wird Dortmunds „Two-Hit-Wonder“ in der Königsklasse vorerst nicht ausgebaut, der BVB setzt sich selbst unter den höchstmöglichen Druck. Bei drei Punkten Rückstand auf Arsenal und Neapel braucht die Borussia wohl zwei Siege aus den verbleibenden beiden Partien zuhause gegen die Italiener und zum Abschluss bei Olympique Marseille, um ins Achtelfinale einzuziehen. Und selbst das könnte aufgrund der speziellen UEFA-Arithmetik unter Umständen nicht reichen. „Ein großes Team aus der Gruppe F wird einen hohen Preis zahlen“, orakelt Londons Chef-Symphoniker Wenger bereits, während Bandleader Klopp hofft, dass er als Tabellendritter nicht wieder über die Dörfer der Europa League tingeln muss. Dieser Bühne schien die schwarz-gelbe Erfolgs-Combo doch längst entwachsen.