Drei Torschüsse, zwei Tore: Schwarz-Gelb erobert mit etwas Glück, aber auch viel Können erstmals das Emirates Stadion. Der BVB feiert den Sieg bei Arsenal London als nächsten Entwicklungsschritt auf internationaler Bühne.
Als die Herkules-Aufgabe gemeistert war, gab es kein Halten mehr. Trainer Jürgen Klopp, Klubchef Hans-Joachim Watzke und Präsident Reinhard Rauball lagen sich auf der Tribüne in den Armen, die Spieler von Borussia Dortmund stiegen kurzerhand zu den Fans in den Block des Emirates Stadions. „Wir wollen den Derby-Sieg“ riefen die knapp 4.000 stimmgewaltigen Anhänger der Schwarz-Gelben in Ekstase und verknüpften den Moment des aktuellen Glücks beim 2:1-Auswärtssieg über Arsenal London schon mit der nahen Bundesliga-Zukunft. So weit wollte Klopp nicht gehen. Kurze Zeit nach Abpfiff genoss er in der Pressekonferenz im Bauch des Stadions lieber ein wenig den Augenblick. „Jederzeit ein Spiel entscheiden zu können, wenn der Gegner nur ein bisschen nachlässt – das ist ein Entwicklungsschritt für uns“, bilanzierte Klopp. Nach zahlreichen Gala-Auftritten in der Vergangenheit hatte seine Elf nun gegen einen hoch gehandelten Gegner drei Chancen höchst effektiv ausgenutzt, so wie es internationale Top-Teams wenn nötig auch mal zu tun in der Lage sind.
Klopp: “Wir sind zurück im Rennen”
„Und der eigentliche Entwicklungsschritt ist, dass wir in den acht Minuten bis zum Ende nichts mehr zugelassen haben“, schob Klopp nach. In der Tat brachten die Schwarz-Gelben das Spiel nach ihrem zweiten Treffer hochkonzentriert über die Zeit und zogen Arsenal, das zuvor sogar lange auf den Heimsieg gedrängt hatte, gekonnt den Zahn. Mit überragenden zwanzig Anfangsminuten, einem etwas wackeligen Mittelteil und dem starken Punch zum Schluss verdienten sich die Westfalen den Erfolg beim Spitzenreiter der englischen Premier League. Der BVB macht sich nun berechtigt Hoffnung, in der wohl schwersten Gruppe der Königsklasse zu bestehen. Oder mit Klopps Worten: „Wir sind zurück im Rennen.“ Der Betriebsunfall vom Auftaktspiel in Neapel ist endgültig repariert. Dortmund führt mit sechs Zählern die Gruppe F an, vor den punktgleichen Londonern und den Italienern.
Grundlage des Erfolges war – mal wieder – eine starke Laufleistung. Erneut rannte die Marathon-Borussia insgesamt elf Kilometer mehr als ihr Gegner, runtergerechnet also jeder Schwarz-Gelbe einen mehr als sein Gegenspieler. „Physisch gesehen war das die beste Mannschaft, gegen die wir in dieser Saison gespielt haben“, zog sogar Gunners-Coach Arsene Wenger den Hut vor der Athletik der Gäste. Obwohl sein Team nach den jüngsten nationalen wie internationalen Erfolgen eine superbreite Brust hätte haben müssen, war es vor eigenem Publikum „etwas zögerlich in die Partie gestartet“, wie es der Franzose selbst beschrieb. Ganz offensichtlich war der in der Königsklasse bislang punktverlustfreie Klub mit einer ordentlichen Portion Respekt gegen den Finalisten der Vorsaison gestartet. Der BVB – das war eine weitere Quintessenz des Abends – profitiert nun vom Ruf, den er sich erarbeitet hat.
Lewandowski krönt den Superkonter
Als Matchwinner wurde Robert Lewandowski ausgiebig gefeiert. Dabei hatte der Ausnahmestürmer lange Zeit einen, wie man so sagt, ziemlich gebrauchten Tag. Ungewohnt viele Bälle versprangen dem Angreifer, als Anspielstation fiel er nahezu komplett aus. Dazu hatte der Pole noch Glück, dass er nach gut einer Stunde im Duell mit Laurent Koszielny nicht mit Rot vom Platz flog. Zumindest auf Arsenal-Seite wurde über diese vermeintlich spielentscheidende Szene noch lange heiß diskutiert. Doch der schwedische Schiedsrichter Jonas Eriksson beließ es nach einem Ellbogenstoß ins Gesicht des Innenverteidigers bei Gelb, und so war Lewandowski in der 83. Minute zur Stelle, um einen klasse Konter und eine perfekte Flanke von Kevin Großkreutz mit dem Siegtreffer zu veredeln. „Das war brillant. Für diese eine Situation haben wir das ganze Spiel über gefightet“, sagte ein zufriedener BVB-Trainer.
Seinen Stürmer Lewandowski nahm Klopp im Übrigen vorsorglich in Schutz: gegen mögliche Kritiken nach den schwächeren Spielen in der jüngeren Vergangenheit und dem öffentlich davon kaum noch zu trennenden Wechseltheater: „Ihr könnt mir vertrauen: Robert tut alles für diese Mannschaft!“ Die Statistik steht jedenfalls auf der Seite des 25-Jährigen, um dessen Zukunft es alle zehn Tage neue Gerüchte gibt: Sechs Treffer in der Liga, nun drei in der Champions League, dazu zahlreiche Assists – auch den frühen Führungstreffer des BVB in London durch Henrich Mchitarjans Schuss von der Strafraumkante (16.) legte „Lewy“ auf.
Rosicky stellt Özil in den Schatten
Dass es trotz der beiden Tore zwischenzeitlich wackelte im BVB-Spiel, wollte keiner zu wichtig nehmen bei der Borussia. „Wir sind nicht hierher gekommen, um Arsenal im eigenen Stadion zu dominieren“, diktierte Klopp ebenso höflich wie demütig in die Mikrofone der englischen Journalisten. Nach den nahezu perfekten Anfangsminuten waren es die Westfalen selbst, die sich in Schwierigkeiten und London zurück ins Spiel brachten. Sven Bender und Nuri Sahin verloren zeitweise etwas den Faden im defensiven Mittelfeld. Mats Hummels unterliefen einige Unachtsamkeiten, die härter bestraft hätten werden können. Dafür bügelte der Nationalverteidiger seine Fehler wieder aus, als er beim Schuss von Tomas Rosicky auf der Linie rettete (39.). Beim Ausgleichstreffer der Gastgeber liefen sich Neven Subotic und Torwart Roman Weidenfeller fast gegenseitig über den Haufen, so das Gunners-Stürmer Olivier Giroud vier Minuten vor der Pause nur noch vollenden musste.
Arsenals neues Juwel Mesut Özil – gerade erst für stolze 50 Millionen Euro nach Nordlondon gewechselt – legte erst nach der Halbzeit seine Zurückhaltung ab, nachdem Wenger den Regisseur für den angeschlagenen Wilshere auf den rechten Flügel beordert hatte. Im Dauerduell mit Marcel Schmelzer steigerte sich Özil – vielleicht auch, weil Dortmunds Außenverteidiger im ersten Einsatz nach viereinhalb Wochen Verletzungspause noch nicht ganz wieder auf der Höhe war. Bei der feinen Vorarbeit vor Santi Cazorlas Lattentreffer hatte Özil dann gehörig Pech (70.). Aber insgesamt war das etwas enttäuschend vom Spielmacher der DFB-Elf, der nun auf der Insel ein Zuhause gefunden hat. Der neue Publikumsliebling rund um das Emirates Stadion stand klar im Schatten des früheren Dortmunders Rosicky – an diesem Abend der beste Mann auf dem Platz.
Buvac mit der perfekten Bilanz
Allein, zum dritten Sieg im dritten Spiel der Champions League reichte es nicht für die Londoner. Dortmund ließ sich an diesem Abend nicht von seiner Marschroute abbringen. Auch ohne Antreiber Klopp, der auf der Tribüne seine letzte Match-Sperre absaß und neben den Klub-Oberen erst jubelnd in die Luft boxte, dann kurz bangte und schließlich ausgelassen feierte, brachte die Borussia das Ergebnis ins Ziel. Am Spielfeldrand feierte derweil Assistent Zeljko Buvac nach dem Erfolg über Marseille seinen zweiten Dreier in Vertretung des Chefs. Bei der Borussia entwickelt sich derzeit offenbar alles ein Stückchen weiter.